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Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Kantaki 03 - Der Zeitkrieg

Titel: Kantaki 03 - Der Zeitkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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hatte, produzierte das Ovum der Akida weitere Morulae, kleinere als die, die für das Wachstum neuer Zeitschiffe erforderlich waren, aber größer als jene, aus denen Spürhunde, Würmer, hyperdimensionale Singularitäten und Destruktoren hervorgingen. Eine neue Waffengeneration entstand, weitaus leistungsfähiger als die alte, dazu imstande, im Ozean der Zeit Dinge aufzuspüren, die bisher verborgen geblieben waren: die Refugien des Widerstands, vielleicht sogar das Kastell.
     

15
Fünfundsechzig
     
Ultramarin: Refugium Corrian, 14. Dezember 569 SN
     
    Diamant fühlte sich besser, als sie im Besprechungszimmer Platz nahm, zusammen mit fast fünfzig anderen Personen. Das Gefühl der Leere, das sie gelegentlich trotz der einundzwanzig aufgenommenen anderen Leben beschlich, war verschwunden, vielleicht unter dem Berg aus neuen Erinnerungen, und sie wusste aus Erfahrung, dass sie jetzt eine Zeit lang mit innerer Ruhe rechnen durfte. Nicht mit Freude, erst recht nicht mit Glück, nur mit Ruhe. Sie hatte längst gelernt, sich mit solchen Dingen zufrieden zu geben.
    Ihr Blick glitt über die Personen, die am großen, kreisförmigen Konferenztisch saßen. Die meisten von ihnen waren Kognitoren aus verschiedenen Völkern, und Diamant kannte sie alle – einige von ihnen hatte sie bei gefährlichen Einsätzen begleitet. Wie üblich waren auch mehrere der Planer zugegen, die immer neue Missionen vorbereiteten, eine riskanter als die andere. Es hat keinen Sinn, flüsterte die Hoffnungslosigkeit in Diamant, und sofort versuchte sie, diese Stimme zu verdrängen.
    General Naifeh stand abseits des Tisches, die Beinwurzeln in einem kleinen Nährbecken, und neben ihm ragte Mutter Xarrh auf, eine Gesandte der Großen Fünf, was darauf hinwies, dass es diesmal um eine sehr wichtige Sache ging. Das Klicken der Kantaki und das leise Rascheln in Naifehs Blättern wies auf ein Gespräch hin, bei dem erstaunlicherweise keine Linguatoren benutzt wurden. Der Carythai Hominx war ebenfalls zugegen und ließ sich von einem Levitatorgürtel tragen.
    Die meisten Anwesenden sprachen miteinander, aber Diamant nahm nicht an der Konversation teil. Sie wusste, dass sie immer mehr zu einer Außenseiterin wurde, und manchmal lastete die Einsamkeit schwer auf ihr. Aber wenn sie sich von ihrem Gewicht halb zerdrückt glaubte, dachte sie an Esmeralda, ihre beste Freundin, die sie gleich dreimal verloren hatte, und erinnerte sich an den schrecklichen Schmerz des Verlustes. Im Vergleich dazu war Einsamkeit nur ein leichtes Stechen, unangenehm, ja, aber zu ertragen.
    Sie wandte ihre Aufmerksamkeit von den anderen Anwesenden ab und konzentrierte sich auf die komplexe Darstellung im Zentrum des vom Konferenztisch gebildeten Kreises. Eine große pseudoreale Kugel schwebte dort, bestehend aus Milliarden von bunten Fäden, jeder einzelne von ihnen eine Realitätslinie. Sie durchmaß knapp fünf Meter, und ein Teil von ihr war aufgeschnitten, um den Blick ins Innere zu gestatten. Es handelte sich um eine grobe Vereinfachung, wusste Diamant. Der von den Temporalen geschaffene Ozean der Zeit war gewiss nicht kugelförmig; er gehorchte nicht den Regeln der Geometrie, sondern denen von Zeit und temporaler Manipulation. »Vergewaltigte Kausalität«, wie es die Feyn genannt hatten, ließ sich nicht durch eine bestimmte Form darstellen.
    Zuerst hatte sich Diamant von den überaus komplexen Strukturen im Inneren der Kugel und ihren ständigen Veränderungen überwältigt und wie erschlagen gefühlt, aber inzwischen verstand sie es, die einzelnen Muster zu deuten und sie so miteinander zu verketten, dass sie einen Eindruck von der allgemeinen Situation gewann. Was ihre Augen sahen, ließ die Stimme der schwindenden Hoffnung erneut in ihr wispern und raunen. Weitere Linien mit blauen Tönungen – vergleichsweise stabile Realität – hatten sich verfärbt, den roten, gelben und grünen hinzugesellt. Daraus konnte nur ein Schluss gezogen werden: Die Manipulationen der Temporalen gingen weiter; sie fügten dem gewonnenen Zeitkrieg weitere Triumphe hinzu.
    Die Tür öffnete sich, und herein kam ein Geschöpf, von dem Diamant gehört, das sie aber noch nie gesehen hatte. Es wirkte wie ein Schatten, losgelöst von dem Körper, zu dem er gehörte: ein Schemen, schwarz wie die Nacht, mit zwei Beinen und zwei Armen, einem Rumpf, Hals und Kopf. Mit seltsam knisternden Schritten ging das Wesen durch den Raum, und auf dem Weg zum Sessel der Vorsitzenden kam es so nahe an Diamants

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