Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)
getrennt bleiben soll«, wandte sie sich an Sibillia 7.
»Ich bedauere sehr, Ehrenwerte. Ich wusste nicht, dass Sie und der Junge hier sind.«
Norene stand auf. »Komm, Dominik.«
Bis zur Treppe gelang es ihm, im Wasser zu bleiben, das wenigstens etwas Schutz bot, doch dann musste er der Großmeisterin über die Stufen folgen. Seine Lenden glühten noch immer, und es war in aller Deutlichkeit zu sehen, wie wenig er seine Gefühle unter Kontrolle hatte. Als er zu den Mädchen sah, stellte er verlegen fest, wohin sie starrten. Nur Loa nicht. Erneut begegneten sich ihre Blicke, nur für eine Sekunde oder vielleicht noch weniger, doch lange genug für Dominik, um den besonderen Glanz in ihren Augen zu sehen, der ihm so viel bedeutete. Der Hauch eines Lächelns umspielte ihre Lippen, und dann wurde sie wieder ernst.
Im Umkleideraum begegnete ihm Norene mit besonderer Kühle. »Dein Körper gehorcht den Emotionen, nicht dem Intellekt. Das muss sich ändern.«
Dominik spürte ein kurzes Stechen am Hals. Der Bion fiel von ihm ab, blieb verschrumpelt und atrophiert auf dem Boden liegen.
»Du wirst lernen, dich von deinen Gefühlen zu befreien«, sagte Norene mit Nachdruck. »Von morgen an suchen wir jeden Tag das Zentrum auf, und für dich wird es jedes Mal ein Weg des Schmerzes sein – bis du lernst, über deine Emotionen hinauszuwachsen.«
Dominik hörte ihre Worte, aber er dachte vor allem an das Lächeln, das er kurz auf Loas Lippen gesehen hatte. Es erschien ihm wie ein Versprechen …
In jener Nacht fand Dominik keine Ruhe. Fast eine Stunde lang lag er reglos im Bett, starrte im Licht der einen Lampe an die Decke und dachte daran, dass sich die Welt verändert hatte, durch die eigene Veränderung. Seine Gedanken spannen wilde Phantasien: In einer davon sah er sich selbst, wie er sich zusammen mit Loana eine Leviplattform schnappte, zur Hauptstadt flog und sich an Bord eines Raumschiffs versteckte, das den Planeten verließ. Seine beiden größten Wünsche kamen in dieser Vorstellung zum Ausdruck. Er wollte mit Loa zusammen und frei sein. Im Lyzeum kam er sich immer mehr wie ein Gefangener vor.
Schließlich hatte er den Anblick der Zimmerdecke satt, schloss die Augen und begann mit einem neuen geistigen Ausflug. Und als er damit begonnen hatte, gab es sofort ein Ziel für ihn: Loa.
Er suchte nicht zum ersten Mal nach ihr, aber diesmal durfte er hoffen, sie zu finden, denn er konnte dem mentalen Echo folgen, das sie in der Therme hinterlassen hatte. Das war eine weitere Sache, auf die er ganz allein gestoßen war, ohne Hinweise seiner Lehrerinnen. So wie Lebewesen Schatten im Tal-Telas warfen, so hinterließen Gedanken Echos in der Welt der Materie. Sie verblassten und verhallten nach wenigen Stunden, aber Loas Echo in der Therme war frisch genug, um Dominik als Wegweiser zu dienen. Er folgte der Spur ihrer Seele vom Becken und Umkleideraum aus durch die Flure und Säle des Lyzeums, ließ sich dabei nicht von dem mentalen Flüstern anderer Selbstsphären ablenken. Am Rand der Schule fand er schließlich einen Raum, in dem drei Schülerinnen schliefen, und eine von ihnen war Loana.
Er sah sie mit seinen geistigen Augen in einem der Betten, die Arme unter der Decke, doch der lange Zopf lag obenauf. Der Wunsch, das goldene Haar zu berühren, wurde so stark, dass er die Hand ausstreckte, mit mentalen Fingern über den Zopf strich und ihn fühlte , seidig weich. Und ganz deutlich sah er, wie sich die einzelnen Haare bewegten, wenn er sie berührte. Crama: Gedanken, die Materie bewegten. Ohne dass er versucht hatte, vom Zentrum aus die dritte Stufe zu erreichen. Er konnte Loa berühren und …
Eins der beiden anderen Mädchen bewegte sich im Schlaf, und Dominik erstarrte, als wäre er körperlich präsent und müsste eine Entdeckung befürchten. Einige Sekunden verstrichen, während er auf Loa hinabblickte und sich fragte, wovon sie träumte.
Dieser Gedanke brachte ihn auf eine Idee. Er aktivierte zusätzlich zu den mentalen Augen und Ohren andere Bereiche seines Bewusstseins, jene, mit denen er ein anderes Selbst berühren konnte, und vorsichtig, ganz vorsichtig tastete er damit nach Loas Ich.
Vage Bilder zogen durch ihren Schlaf, noch nicht ganz ein Traum. Etwas in Dominik wusste, dass er Loanas Privatsphäre verletzte, aber Neugier und der Wunsch, ihr nahe zu sein, ließen die mahnende Stimme verstummen. Behutsam griff er nach den Bildern und hielt einige von ihnen fest, um sie zu betrachten. Manche
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