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Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)

Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1)

Titel: Kantaki 04 - Feuervögel (Graken-Trilogie 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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kam von der gegenüberliegenden Seite, aber dort blieb alles dunkel.
    »Ich habe seine Schuld verifiziert, wie es die Maximen erlauben«, sagte Norene.
    Das Flüstern veränderte sich erneut, wurde zum Rauschen eines Stroms, in dem es Strudel gab, Stellen, an denen das Wasser schneller floss als an anderen. Tako versuchte vergeblich, im Durcheinander der vielstimmigen Kommunikation einzelne Worte zu verstehen. Was geht hier vor?
    »Er hat Myra 27 auf Kabäa umgebracht, als sie beide Teil des Grakentraums wurden«, fügte Norene hinzu.
    »Das ist nicht wahr«, entgegnete Tako. »Sie starb bei dem Versuch, einen fatalen Traum gegen den sich bildenden Schwarm einzusetzen.«
    Einen fatalen Traum … einen fatalen Traum … , wisperte und raunte es durch den Raum.
    »Die Wahrheit lässt sich leicht feststellen, Keil Karides«, kam Norenes Stimme aus der Dunkelheit. »Erlauben Sie den Schwestern einen Blick in Ihr Selbst?«
    Tako fragte sich, was sie damit zu gewinnen hoffte. Ging sie davon aus, dass er ablehnen und sich dadurch verdächtig machen würde?
    »Ich bin einverstanden, wenn die Sondierung allein meine Erinnerungen an den Einsatz auf Kabäa und Myra 27 betrifft«, sagte er.
    Der Lichtstrahl wanderte schneller über die schwarzen Wände mit den sonderbaren Symbolen, und Tako gewann den Eindruck, dass die Nischen mit den Frauen näher kamen. Das Flüstern schwoll an und drang in seinen Geist ein, auf der Suche nach …
     
     
    Beim nächsten Treppenabsatz wendet sich Tako nach links und trägt Myra zu einem mehrere Meter hohen Objekt, das aussieht wie eine Mischung aus Baum und Skulptur.
    Die Menschen sind ihm erneut gefolgt, wahren jetzt aber einen gewissen Abstand, als wüssten sie, dass der Tod diesen Ort besucht. Tako hört erneut ihr Flüstern, und am liebsten wäre er geflohen, weg von den Stimmen, die Unheil für ihn bedeuten.
    Myra sieht zu ihm auf, eine alte Frau, die siebenundzwanzig Leben geführt hat. Dies ist ihr letztes, das hat sie von Anfang an gewusst.
    »Bitte tragen Sie mich weiter nach oben, Keil Karides. Ich muss das Zentrum des Grakentraums erreichen.«
    Aber Tako lässt sie auf den Boden sinken, während dunkle Wolken über den Himmel ziehen und das Licht der Sonne schlucken, während es kälter wird und erste Regentropfen fallen. Er starrt auf die dürre Alte mit dem grauweißen Haar und einem fast farblosen, von zahlreichen Falten durchzogenen Gesicht hinab, und Zorn steigt in ihm empor, weil sie ihn belogen und benutzt hat, weil er es ihr verdankt, dass er Teil des Grakentraums geworden ist. »Es ist alles Ihre Schuld!«, zischt er und schlägt zu. Seine Faust trifft die greise Frau mitten im Gesicht, zertrümmert ihr die Nase …
     
     
    »Das ist nicht wahr!«, entfuhr es Tako. Der wandernde Lichtstrahl kehrte zu ihm zurück und blendete ihn. Die Tal-Telassi in den Wandnischen verschwanden wieder in Finsternis.
    »Es sind Ihre Erinnerungen«, sagte Norene aus der Schwärze jenseits des Lichts. »Wie können Ihre Erinnerungen lügen? Sie haben nie das vor zwei Jahren erlittene Trauma überwunden. Ihre Emotionalität ist ebenso intensiv wie labil, und während des Einsatzes auf Kabäa haben Sie sich von Ihren Bionen getrennt, um eine Gefährtin zu schützen. Sie waren nicht mehr vor Ihren Gefühlen geschützt, und die Grakenpräsenz verstärkte das emotionale Chaos in Ihnen. Myra 27 fiel ihm zum Opfer.«
    »Nein! Ich habe sie weiter nach oben getragen, aber …« Tako versuchte vergeblich, sich an Einzelheiten zu erinnern. »Sie haben mein Gedächtnis manipuliert! Bei der telepathischen Sondierung.«
    Das Licht wurde heller, und das von den Wänden kommende Flüstern fand einen Weg in Takos Kopf, krabbelte wie mit tausend Insektenbeinen über die Innenseiten seines Schädels. Er hob die Hände, presste sie an die Ohren, aber das Raunen der vielen Stimmen blieb.
    »Wir alle haben Ihre Schuld gesehen«, fuhr Norene fort. »Myra 27, eine von drei Großmeisterinnen, wurde Opfer der unkontrollierten Emotionalität eines gewöhnlichen Menschen. Für Ihr Verbrechen haben Sie den Tod verdient.«
    Den Tod. Tako versuchte zu verstehen. Wollte Norene ihn hinrichten lassen?
    »Selbst wenn er Myra 27 getötet hat …«
    »Wie kann daran jetzt noch Zweifel bestehen?«, fragte Norene scharf.
    »Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass er zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig war.« Tako glaubte, Katymas Stimme zu erkennen. Ganz sicher war er nicht – die wahrgenommene Realität bekam immer mehr

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