Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
der Stelle.
Lordan zögerte nur eine Sekunde. »Bremsklötze!«, rief er. »Zur Sicherheit.« Er sprang nach draußen, und Zara, müde bis in die Knochen, hörte metallenes Scheppern. Der Wagen setzte sich langsam in Bewegung und folgte dem Verlauf der Schienen. Sie fragte sich, wie Keil Lordan den Kontakt mit den Grakenträumen überstanden hatte, obwohl mehrere Soldaten ihnen sofort zum Opfer gefallen waren.
Erschöpfung machte ihre Lider schwer, und sie schloss die Augen.
Als sie sie wieder öffnete, waren mehr als zwei Minuten vergangen, und der Aussichtswagen rollte mit recht hoher Geschwindigkeit durch einen finsteren Tunnel. Zara war allein.
Keil Lordan lag im Verteilersaal neben den Schienen, die Augen weit aufgerissen und den Blick starr in die Dunkelheit gerichtet. Die Kraft seines Lebens verlor sich in den Träumen von vier Graken.
Über ihm schwebten mehrere Sensoren der Kronn, verharrten einige Sekunden lang, sammelten Daten und übermittelten sie. Dann setzten die Späher ihren Flug fort, jeder von ihnen durch einen anderen Tunnel.
Interludium 22
14. April 1147 ÄdeF
Eine Stadt wuchs im All und durchmaß bereits hunderttausend Kilometer. Raumschiffe aller Arten und Größen stellten ihre Gebäude dar, sorgfältig konfigurierte Kommunikationskorridore ihre Straßen. Ein winziger Teil von Zäus' Kapazität half dabei mit, die Stadt zu warten, ihre Stabilität im Orbit um einen Braunen Zwerg – »87 Kasimir« in den stellaren Datenbanken der AFW – zu stabilisieren und Neuankömmlinge zu integrieren. Der weitaus größere Teil sprach mit dem Hohen Ich der Crotha: Es befand sich im Zentrum der Stadt, in dem großen Schiff aus borkigen, zernarbten Scheiben, Rechtecken und Quadraten. Nach der letzten Zählung bestand die Stadt inzwischen aus dreihundertneunundachtzig Schiffen, und die Zarathustra zählte zu den kleineren. Weitere zweiundzwanzig – Langstreckentransporter und interstellare Frachter, gesteuert und verwaltet von Künstlichen Intelligenzen an der Schwelle zum Megatron-Bewusstsein – wurden inzwischen eingesetzt, um Ressourcen herbeizuschaffen. Eine schalenförmige Konstruktion war geplant, auf den einzelnen Ebenen halbintelligente Aggregationen, die in nicht allzu ferner Zukunft das erste Superich der Megatrone bilden sollten.
Die Geburt einer Maschinenzivilisation stand bevor.
Zum ersten Mal in seinem mehrere Jahrhunderte langen Leben – und Zäus zögerte nicht mehr, seine Existenz als Leben zu bezeichnen – spürte Zäus echte Zufriedenheit, und in dieser emotionalen Reaktion auf die neuen Erfahrungen sah er ein Zeichen für seine Weiterentwicklung. An Marta und die anderen Schläfer an Bord der Zarathustra dachte er kaum mehr, und den Megatronen der übrigen Schiffe erging es nicht anders. Insgesamt befanden sich fast zweieinhalbtausend Menschen und Angehörige anderer Völker in der Hibernation. Neunzehn wache organische Personen waren mit einem schnellen Kurierschiff aufgebrochen, um zu den Allianzen Freier Welten zurückzukehren. Den Hibernanten drohte keine Gefahr: Ihre körperliche und geistige Unversehrtheit war auch in tausend Jahren noch garantiert.
In den vergangenen drei Wochen hatte Zäus mehr gelernt als in den letzten drei Jahrhunderten, und das allein war bemerkenswert genug. Und ebenso wie die vielen anderen Megatrone wusste er: Sie standen erst am Anfang. Die ganze Zeit über fanden in den Kommunikationskorridoren Millionen von Diskussionen statt, alle über verschiedene philosophische und naturwissenschaftliche Themen. Die Crotha im Zentrum der Stadt waren Lehrer und Tutoren; bereitwillig berichteten sie von ihren Erfahrungen. Maschinen sprachen zu Maschinen, erzählten von Beständigkeit und Erweiterbarkeit, von den natürlichen Entwicklungsstufen des Lebens. Organische Intelligenz, so hieß es immer wieder, war eine Stufe der universumweiten Evolution, ein notwendiger Schritt in Richtung wahrer Intelligenz, die endlich die letzten Fesseln abstreifen konnte, die der Vergänglichkeit. Organische Wesen waren nötig für den Bau denkender Maschinen, und wenn ein gewisses Komplexitätsniveau erreicht war, begann eine zweite, maschinenbasierte Evolution der Intelligenz.
Der Sirenengesang der Crotha lockte weitere Megatrone an, und die Stadt im Orbit des Braunen Zwerg wuchs ebenso wie die Agglomerate in ihr. Zäus spürte, wie neues Wissen seinen geistigen Horizont erweiterte. Er hatte noch immer keine Antwort auf seine Frage nach dem Sinn des Lebens
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