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Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)

Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)

Titel: Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Situation und hielt es für wahrscheinlicher, dass es sich um Projektionen des Jungen handelte, um Hilferufe im mentalen Äther. Ein Kind, das kaum sprechen konnte, ausgestattet mit der Gabe, auf die Kraft des Tal-Telas und noch mehr zuzugreifen … Rupert hatte versucht, sich den anderen mitzuteilen. Es war bestimmt nicht seine Absicht gewesen, jemanden zu töten. Aber die seltsamen Dinge, die man zuvor in seiner Nähe beobachtet hatte, das allgemeine Unglück, das die Inspirierten zu verfolgen schien, und dann der schleichende Tod, von dunklen dämonenhaften Erscheinungen gebracht … Dies alles war wie eine Saat, die auf den fruchtbaren Boden religiöser Verblendung fiel und aus der nur Unheil wachsen konnte.
    Mehrere Gestalten kamen Dominique entgegen, wie alle anderen in dicke Kutten gehüllt. Sie murmelten Gebete, und in ihren knochigen Gesichtern zeigten sich Streifen aus Blut. Eine schreckliche Ahnung erfasste Dominique.
    Der Knabe zitterte immer heftiger an ihrer Seite, und als sie nur noch wenige Meter vom Raum am Ende des Korridors trennten, blieb er stehen, die Finger der rechten Hand tief in Dominiques Jackenärmel gegraben.
    »Ich habe nichts getan«, wimmerte er. »Nichts …«
    Dominique löste behutsam die Hand von ihrem Ärmel. »Bleib hier und warte auf mich. Ich bin gleich wieder da.«
    »Meine Mutter«, schluchzte der Junge. »Wo ist meine Mutter?«
    Dominique wusste: Ruperts Mutter war tot, gestorben als eines der ersten Opfer der Schatten. »Warte hier auf mich«, wiederholte sie, betrat dann den Raum und konnte kaum fassen, was sich dort ihren Blicken darbot.
    Ein Durcheinander aus teilweise wie improvisiert wirkenden Lebenserhaltungssystemen empfing die Energie einiger nuklearer Batterien. Ihr Summen vermischte sich mit den leisen Stimmen einiger alter Männer und Frauen, die schwarze Gewänder trugen und im Halbkreis um eine Schale standen. Kuttenträger näherten sich ihnen, tauchten Finger in die Schale, hoben die Hände zu den Gesichtern und verließen den Raum anschließend mit dem Blut des Diabolus auf ihren Wangen.
    Hinter den Greisen und Greisinnen in Schwarz hing Rupert in einem Netz aus Streben, Schläuchen, Stimulatoren und Gewebesträngen, deren Zellmasse vermutlich aus den organischen Komponenten von Bionenanzügen stammte. Augen und Mund des Knaben waren zugenäht; in den Ohren steckten Elektrodenstöpsel. Zwei dicke Schläuche führten in die grotesk aufgeblähte Nase; der eine enthielt Luft für die Lungen, der andere Nahrung für den Magen. Gelegentlich zuckten Muskeln, wenn die Stromstöße der Stimulatoren bestimmte Nervenzellen erreichten.
    Zahlreiche Wunden zeigten sich im Leib des geschundenen Jungen. Jeder Tropfen Blut, der aus ihnen quoll, wurde von zweckentfremdeten Servi gesammelt und zur Schale gebracht, von der ein weiterer Schlauch ausging und in Ruperts Seite verschwand – was nicht gebraucht wurde, erhielt er zurück. Und so litt Rupert an der Grenze von Leben und Tod unsägliche Schmerzen. Die Geläuterten in Schwarz quälten ihn in dem Glauben, damit das Verderben von den Resten ihrer Gemeinschaft abhalten zu können. Ihre Messer schnitten gerade verheilte Wunden wieder auf. Die Elektrodenstöpsel in den Ohren waren direkt mit dem Gehirn verbunden, peinigten es mit Stromstößen. Viele Monate hatte der Knabe bereits auf diese Weise verbracht, ohne zu sehen und zu hören, ohne um Hilfe rufen zu können. Blind, taub und stumm würde er die nächsten Jahre verbringen, wusste Dominique, gefangen in Agonie – bis zum Eintreffen des Rettungsschiffs, das den lichtschnellen Notruf bei einer Sprungpause im interstellaren All empfangen hatte.
    Dominiques Augen brannten. Abrupt drehte sie sich um und kehrte mit langen Schritten, fast wie bei einer Flucht, in den Korridor zurück. Der Junge saß dort mit dem Rücken an der Wand, die Beine angezogen und die Hände vors Gesicht geschlagen. Seine Schultern bebten, als er lautlos weinte. Bevor Dominique ihn erreichte, waren mehrere Kuttenträger heran. Zwei Männer packten Rupert, zerrten ihn auf die Beine, und eine Alte hielt Nadel und Faden bereit.
    »Er ist der Diabolus!«, rief sie. »Er soll uns nicht mehr sehen und nicht mehr zu uns sprechen! Sein Leid ist unser Heil!«
    Zorn kochte in Dominique mit vertrauter Intensität, aber diesmal bezog er sich nicht auf ihre eigene Situation, sondern auf die einer anderen Person. Sie überlegte nicht, sprang vor und drängte die Alte beiseite. Eine Sekunde später hielt sie die

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