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Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)

Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)

Titel: Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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gewann an Schärfe, und das Gesicht veränderte sich, wurde zu einer Fratze.
    »Nein«, log Dominique erneut. »Ich wollte dich nicht im Stich lassen, ich …«
    An der Stelle in ihrem Hinterkopf, wo sich das Implantat befunden hatte, explodierte Schmerz, so heftig, als bräche ihr jemand einen Knochen nach dem anderen im Leib, um anschließend das, was übrig blieb, in siedendes Öl zu tauchen. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel. Und während des Fallens präsentierte ihr die Agonie eine Erkenntnis: Sie war nicht frei. Elmeth hatte zwar die Fesseln des Implantats gelöst und Iremia die des Entratols. Aber es gab neue Ketten. Wo der Schatten in ihrem Selbst gewesen war, gefüllt mit Stimmen, existierte jetzt die kleine Wurzel eines fremden Ichs, ein Band, das sich zwischen ihr und Rupert erstreckte.
    Sie erinnerte sich an eine Warnung des halben Mannes Dorim Allbur: Manchmal wenn Psychomechaniker nicht aufpassten, konnten sie sich in den mentalen Labyrinthen der Brainstormer verirren. Bei dem besonders starken Rupert war das mehrmals geschehen.
    Ich bin Dominique, Tochter des Dominik , dachte sie voller Trotz und Zorn. Ich habe das Potenzial einer Großmeisterin. Niemand kann mich im Tal-Telas bezwingen.
    Doch beim Sturz dem reglosen, erstarrten Wasser entgegen, als das in Rupert brennende Feuer auch in ihr loderte, erinnerte sie sich an den Unterricht in den Lyzeen der Schwestern. Sie entsann sich an Hinweise auf eine dritte Kraft hinter dem Tal-Telas, das der Orden nutzte, seit die Tal-Telassi vor Jahrtausenden aus den nach Millennia geflohenen Kantaki-Piloten hervorgegangen waren. Eine Kraft noch über dem Wahrheit schenkenden Meta. Rupert schien sie berühren zu können; damit hatte er sie, Dominique, in Fomion festgehalten.
    Die Neutralisatoren, entropischen Gefälle und Illegalitätsalarme auf Millennia waren eine Sache – Dominique hatte immer wieder einen Weg gefunden, sich darüber hinwegzusetzen. Das Implantat hatte ihr einen Eindruck davon vermittelt, wie es war, nur noch beschränkten Zugang zum Tal-Telas zu haben. Doch jetzt sah sie sich mit einer ganz neuen Art von Unfreiheit konfrontiert. Die Gedanken und Gefühle einer anderen Person konnten sie vollkommen von der Kraft trennen, die immer ein Teil von ihr gewesen war, seit ihrer Geburt. Dominique lief Gefahr, einem anderen Selbst völlig ausgeliefert zu sein.
    Sie prallte auf das in der schmalen, zeitlosen Lücke zwischen den Momenten granitharte Wasser, und dieses physische Empfinden löste sie für zwei oder drei subjektive Sekunden aus der geistigen Starre. Erschrocken begriff sie, dass es hier nicht allein um Freiheit und Unfreiheit ging, um Zugang zum Tal-Telas oder nicht.
    Es war vielmehr eine Frage von Leben und Tod.
    Rupert schickte sich an, erneut zum Mörder zu werden.
    Seine Motive lagen klar und deutlich vor Dominique. Sie wusste jetzt, warum er die anderen Leben ausgelöscht hatte und auch sie töten wollte: weil er sich verraten fühlte, im Stich gelassen, für etwas geopfert , das er nicht verstand. Mehr als alles andere sehnte er sich nach Geborgenheit, nach einer Umarmung, nach einem Ort, der ihm Sicherheit versprach. Er wollte nicht mehr leiden für etwas, an dem er keine Schuld hatte …
    Der Grund. Das Trauma. Die Erklärung lag zum Greifen nahe, und damit vielleicht auch eine Möglichkeit für Dominique, der geistigen Auslöschung zu entgehen.
    Sie lag rücklings auf dem harten Wasser mit den Schwärmen aus einzelligen Organismen, sah zu Rupert auf, der wie ein Dämon am Rand des Beckens stand …
    Wie ein Dämon.
    Fremde Erinnerungen öffneten sich ihr, bisher verborgen hinter verriegelten Türen im Keller des Gedächtnisses. Dominique griff in Delm danach …
    Sie stand vor einer hohen Mauer, die düster emporwuchs, einem dunklen Himmel entgegen. Finstere Wolken zogen schnell dahin, wie auf der Flucht vor dem Wind, der über die schützende Mauer hinwegheulte und in den Gassen der Stadt kreischte. Direkt vor Dominique brummten einfache Motoren, vor achtzig Jahren aus Resten des abgestürzten Raumschiffs erbaut. Bevor sie das schwere, aus Synthomasse- und Stahlkeramikteilen bestehende Tor inmitten der Mauer schlossen, glitt Dominiques Blick über die Ebene vor der Stadt. Rumpfteile des Schiffes ragten dort wie das Gerippe eines riesigen Geschöpfs auf, in acht Jahrzehnten vom Wind glatt geschliffen, wie auch die Felsen der weiten Ebene. Die Stadt – zum einen Teil ebenfalls aus Resten des Schiffes errichtet, zum anderen aus

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