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Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Titel: Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Gedanken aber nicht mehr in eine bestimmte Richtung.
    »Was?«, fragte ihr Vater verwirrt.
    »Schon gut.« Dominique stieß sich von der Tür ab und schritt über die Plattform, auf der die Leichen der beiden Kantaki lagen; sie war ähnlich beschaffen wie jene andere Plattform, auf der Tarweders mobiles Haus im Plurial gestanden hatte. Ein breiter Weg schloss sich daran an und führte zu einem seltsamen Gebilde. »Was ist das?«
    »Wir sind hier in der Prävalenz«, sagte Dominik. »Das dort ist die Endlose Stadt der Prävalenten.«
    In einer Entfernung von einigen Kilometern erreichte der Weg ein gewaltiges Möbiusband, dessen Ausmaße Dominique kaum schätzen konnte – das Band musste mehrere tausend Kilometer lang sein, wahrscheinlich aber noch viel, viel länger. Es trug eine gewaltige Stadt aus bunten Gebäuden, die den Eindruck erweckten, aus der Substanz von Regenbögen errichtet zu sein: Sie wirkten einerseits ephemer, andererseits aber auch sehr massiv, und während Dominique sie noch beobachtete, kam es zu Veränderungen. Manche wechselten die Farbe – Grün wurde zu Blau, und Rot ging in Gelb über –, andere schrumpften oder schwollen an. Wölbungen kräuselten sich, als würde Wind über eine Wasseroberfläche streichen, und wo eben noch alles rund gewesen war, entstanden Kanten und Ecken.
    Dominik griff nach seinem Rucksack. »Komm, lass uns keine Zeit verlieren!«
    Dominique rührte sich nicht von der Stelle. Ihr Blick glitt noch immer über das riesige Möbiusband mit der Endlosen Stadt, die tatsächlich kein Ende hatte: Sie führte zu sich selbst zurück, war in sich geschlossen. Wenn sich die fernen Gebäude veränderten, ertönte manchmal ein leises Klimpern wie von leicht aneinanderstoßenden Kristallen, und zusammen mit einem arrhythmischen Summen, das seinen Ursprung im Band selbst hatte, entstand fast so etwas wie eine Melodie. Sphärenmusik , dachte Dominique. Als sie den Kopf drehte und zurücksah, stellte sie fest, dass hinter ihnen nicht das erwartete dunkle Gebäude aufragte. Zu sehen waren nur die Tür und ein Teil des Raums.
    »Komm!«, drängte ihr Vater.
    Ein kurzer stechender Schmerz im Nacken erinnerte sie daran, dass die Wirkung der letzten Gelbdosis nicht mehr lange anhalten würde. Als sie ihrem Vater über den Weg folgte, fragte sie sich, ob all die Stationen ihres Lebens und insbesondere die jüngsten Ereignisse wie Puzzlestücke zu einem viel größeren Bild gehörten. Ihr Lernen auf Millennia, die Feindschaft dem Vater – beziehungsweise dem von Loana gezeichneten Heldenbild des Vaters – gegenüber, ihre Rolle beim Aufstand der Tal-Telassi, die Begegnung mit Rupert und später mit Mutter Rrirk, der Aufbruch mit dem alten Kantaki-Schiff, das in die nichtlineare Zeit geriet und ausgerechnet über Heres abstürzte, wo ihr Vater auf sie wartete in Gestalt eines Alten, den alle den »Weisen« nannten, der aber nicht einmal wusste, wer er selbst war … Die Formel des Realitätsmechanikers, der den Dominanten den Weg zum Fünften Dominium zeigte, Dominiques Kontakt mit dem Gelben, das ihr eine gefährliche Sucht einbrachte und gleichzeitig gewissermaßen den Schlüssel zur letzten Pforte gegeben hatte …
    »Ohne das Gelbe hätte ich die Tür nicht öffnen können«, sagte Dominique und hörte die Wahrheit in diesen Worten.
    »Ja, ja«, erwiderte ihr Vater, der in Gedanken ganz woanders war.
    »Wir beide waren nötig«, fuhr Dominique fort. Das Denken fiel ihr leichter, wenn sie die Gedanken in Worte kleidete. »Wir konnten es nur zusammen schaffen. Und mit dem Gelben. Wenn man zurückblickt … Es sieht fast so aus, als wäre alles gut vorbereitet gewesen.«
    »Wo bleibt die Freiheit, wenn auf dem Weg des Lebens jeder Schritt vorherbestimmt ist?«, erklang eine Stimme.
    Dominique blieb abrupt stehen. »Olkin«, sagte sie und drehte sich um.
    »Freiheit ist eine Illusion«, fügte der Gnom hinzu. »Damit meine ich eure Freiheit, nicht meine.«
    Freiheit ist eine Illusion , wiederholte Dominique in Gedanken und erinnerte sich daran, dass sie diese Worte auch von Nevoth gehört hatte.
    Kurz darauf stellte sie verblüfft fest, dass sie das Möbiusband erreicht hatten, obwohl nur einige wenige Minuten vergangen waren. Sie bemerkte, dass Olkin auf dem Weg stehen blieb und die subtile Grenze mied, die ihn vom Band und der Endlosen Stadt trennte.
    »Vielleicht ist deine Freiheit noch illusionärer als unsere«, sagte Dominik. »Ich habe dich gesehen. Im Koma. Du bist krank. Welche

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