Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)
hatte genug gelernt, um Mimik, Körpersprache und den besonderen Glanz in den Augen zu deuten. »Wenn du irgendetwas brauchst, Dominique, wenn ich irgendwie helfen kann …«
Sie berührte ihn kurz am Arm, was vielleicht ein Fehler war. »Danke, Arn. Es ist schön zu wissen, dass ich auf dich zählen kann.« Sie lächelte kurz, wandte sich von dem Kaufmann ab, ging fort und fühlte dabei seinen Blick im Rücken.
Diesmal war das Lager auf einem kleinen Plateau errichtet worden, das wie trotzig am einen Ufer des Gernot aufragte, dazu entschlossen, allen Kräften der Erosion zu widerstehen – im Gegensatz zu dem Wald aus Nadelfelsen weiter flussabwärts, von Wind, Wasser und Wetter geschaffen. Der giftgrüne Gernot, aus dem Zusammenfluss des Kleinen und Großen Schlangenflusses entstanden, war an dieser Stelle fast dreihundert Meter breit und strömte ruhig dahin, aber von anderen Reisenden wusste Dominique, dass er in der Schlucht schmaler und wilder wurde, als wollte er seine ganze Kraft zeigen, bevor sich seine Fluten teilten und in mehreren Wasserfällen ins Tiefe Becken bei Calanto stürzten. Das Grün stammte von speziellen Mikroorganismen im Wasser; sie gaben dem Strom die Farbe von Smaragd.
Dominique ging an Zelten und Unterständen vorbei, mied die anderen Reisenden und folgte dem Verlauf eines felsigen Weges, der vom Plateau zum Flussufer führte. Eigentlich hatte sie dort allein sein wollen, um in aller Ruhe nachzudenken, über Heres und alles andere. Aber als sie Halaila sah, lächelte sie unwillkürlich und ging zu ihr. Die kleine, zierliche Wettermacherin mit dem langen, goldenen Haar – sie hatte etwas Engelhaftes, fand Dominique – kniete an einem kleinen Tümpel neben dem Fluss. Dort war das Wasser nicht grün, sondern silbern, wie ein Spiegel.
Es trennten Dominique nur noch wenige Meter von der Wettermacherin, als sie sah, dass Halaila mit einer Art Ritual beschäftigt war. Sie legte mehrere Gegenstände auf den Boden, wandte sich dann ein wenig zur Seite und dem eigenen Schatten neben dem Tümpel zu. Halaila murmelte etwas, das Dominique nicht verstand, berührte mit beiden Händen den Kopf des Schattens und hob die Hände dann zu ihrer Stirn. Anschließend blickte sie ins silberne Wasser, das ein Spiegelbild von ihr selbst zeigte, schöpfte mit beiden Händen etwas davon und benetzte sich damit das Gesicht.
»Komm ruhig, Dominique«, sagte sie mit einer Stimme wie leises Glockengeläut.
»Ich wollte dich nicht stören.«
»Du störst nicht.«
Dominique trat näher. Es war ihr leicht gefallen, mit Halaila Freundschaft zu schließen, was nicht nur an dem sanften, offenen Wesen der Wettermacherin lag. Etwas verband sie. Wenn Halaila »Wetter machte«, so nutzte sie eine Kraft, von der Dominique glaubte, dass sie mit dem Tal-Telas in Verbindung stand. Vermutlich galt das auch für die Glückmacherin und den Zeitmacher, aber Pina und Winford waren weitaus verschlossener. Bei Halaila hatte Dominique den Eindruck, dass sie beide ähnlich dachten und empfanden, wie zwei Schwestern.
Die Objekte auf dem Boden leuchteten bunt im Licht der beiden Sonnen. Dominique stellte erstaunt fest, dass sie aus etwas bestanden, das die Bewohner der vier Dominien »Korit« nannten und als Energiequelle verwendeten.
Halaila bemerkte ihren Blick. »Das sind meine Seelensteine.«
»Nach dem, was ich bisher gesehen und gehört habe … Sie würden genügen, um einen schweren Transporter bis nach Zontra zu bringen. Die Steine sind wertvoll.«
»Für mich bedeuten sie weitaus mehr«, sagte Halaila und lächelte verträumt. »Vor fünf Generationen gab es in meiner Familie zum ersten Mal eine Person, die zum Wind und den Wolken sprechen konnte. Kurz vor ihrem Tod nahm Winna ihre drei Gesichter und übertrug sie auf diesen Stein.« Halaila nahm ein weißes, kristallartiges Objekt, drehte es und legte es dann wieder auf den Boden. »Ihre Nachfolgerinnen schlossen sich ihrem Beispiel an, und ich werde der Sammlung einen sechsten Seelenstein hinzufügen, wenn meine Zeit gekommen ist.«
Dominique sah auf die Steine hinab. »Ihre drei Gesichter … Hat es das mit dem Ritual auf sich, bei dem ich dich eben beobachtet habe?«
»Ja. Das innere Gesicht, das Bild von mir selbst. Mein Schatten. Und spiegelndes Wasser, das mich so zeigt, wie mich andere Leute sehen. Drei Gesichter. Manchmal füge ich sie zusammen, um mich besser zu verstehen.«
Dominique musterte die Wettermacherin. Halaila schien in ihrem Alter zu sein,
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