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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Gericht alle politischen Parteien vertreten sind. Insofern mischen sich die Parteien in die Besetzung von Richterämtern ein, obwohl die Judikative eigentlich vollkommen unabhängig sein soll.
    Bis in die sechziger Jahre hinein waren alle Richter Beamte, ebenso wie Lehrer oder Polizisten. Auch Mitarbeiter von Staatsfirmen wie Post, Bahn, Telekom hatten früher Beamtenstatus. Heute gilt das nur noch für Leute mit »hoheitlichen Aufgaben«: Immer wenn der Staat als Staat auftritt und zum Beispiel Zoll oder Steuern kassieren will. Beamte sind unkündbar und müssen daher weder Bürger noch Vorgesetzte fürchten. Nachteil: Beamte sind auch dann unkündbar, wenn sie schlechte Arbeit leisten. Bei unmotivierten Lehrern zum Beispiel ein großes Problem. Beamte bekommen ein niedrigeres Gehalt als in einer vergleichbaren Position in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen, aber ihr Arbeitsplatz ist sicher. Dafür müssen sie sich ihrem Dienstherrn gegenüber loyal verhalten, beispielsweise haben Beamte kein Streikrecht. Der Staat soll sich auf sie verlassen können, als Gegenleistung für diese Verlässlichkeit werden sie besonders geschützt.
    Die große Regelwut: von Beschattungsabgabe bis Kloschüsselvorschrift
    Gesetze, Gesetzeshüter und Gesetzeswächter sind natürlich wichtig, klar. Man braucht Regeln und Leute, die darauf achten, dass sie eingehalten werden. Aber müssen es so viele sein? In Deutschland gibt es eine regelrechte Regelwut. Regeln definieren die Maße für Treppenstufen und klären, unter welchen Bedingungen man eine offene Garage auf das eigene Grundstück bauen darf. Lustigerweise steht ausgerechnet im Wohnungsbau erleichterungs gesetz, welche Bestimmungen man dabei einzuhalten hat – und die sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Mal muss man die Aufstellung der Open-Air-Garage nur melden, anderswo sind Unterlagen in dreifacher Ausfertigung nötig, und dazu eine Erklärung, warum nicht gleich noch eine Feuerschutzmauer errichtet wird.
    Arbeits- und Mietverträge sind weitgehend vorgegeben, für Heizungen und Motoren gelten immer schärfere Bestimmungen, im Gaststättengesetz steht, was in Kneipen und Restaurants erlaubt ist, und wer jemals versucht hat, mit einer privaten Elterninitiative eine kleine Kita zu gründen, muss feststellen, dass man mit dem Projekt schon bei der Anbringung der Toiletten scheitern kann, weil der seitliche Abstand zwischen Kloschüssel und Wand nicht der gesetzlichen Norm entspricht. Für Markisen an Läden ist in Bayern eine »Beschattungsabgabe« fällig, weil öffentlicher Luftraum genutzt wird. Karotten sind laut EU kein Gemüse, sondern Obst, denn in manchen Ländern wird Marmelade mit Karottenstücken produziert. Und ein Amtsgericht hielt »lautes Stöhnen beim Sexualverkehr und dabei ausgestoßene Yippie-Rufe« zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr früh für »eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn«.
    Von manchen Regeln profitieren alle oder zumindest die meisten. Andere sind einfach nur absurd und lächerlich. Politologen und Ökonomen verweisen allerdings darauf, dass die Hauptursache für die Vorschriftenflut wir selbst sind. Weil wir ständig nach schärferen Gesetzen verlangen, wenn irgendwo ein Unfall passiert, ein Hund beißt, ein Baum stirbt oder vielleicht nur jemand übers Ohr gehauen wurde. Dabei sind wir Bürger durchaus inkonsequent. Tempo 30 hat jeder gern in seiner eigenen Straße, aber kaum einer hält sich gerne in anderen Straßen daran. Weil jeder von uns bestimmte Verbote gut findet und es für Politiker relativ leicht und kostengünstig ist, Verbote zu erlassen, gibt es am Ende immer mehr davon. Abgeschafft wird selten eines. Vor Kurzem wurde mal ein europaweites Gurkenkrümmungsgesetz außer Kraft gesetzt – das war ein großes Thema in allen Zeitungen, weil es einen solchen Seltenheitswert hat, dass eine Regel wieder abgeschafft wird! Die Gurkenkrümmungsnorm war allerdings auch über Jahre hinweg das Lieblingsbeispiel für absurde Regeln aus Europa. Man war’s in Brüssel wohl leid, damit lächerlich gemacht zu werden.
    Eines sollte man bei allem Frust über die Regelwut aber nicht vergessen: In anderen Ländern, zum Beispiel in den USA , gibt es zwar einerseits sehr viel weniger Vorschriften. Man kann dort ohne vergleichbar aufwendige Genehmigungen alle möglichen Geschäfte aufmachen. Aber wenn etwas schiefgeht, können Ex-Kunden tolle Klagen einreichen und vielleicht sogar Millionen kassieren. Deswegen steht auf

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