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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Staatsunternehmen wurden zu Aktiengesellschaften. Der Staat blieb aber meist größter Aktionär.
    Befürworter der Privatisierung führen dafür mehrere Argumente ins Feld:
Man kann einen ganzen Bereich verkaufen beziehungsweise Teile an die Börse bringen (wie bei Telekom oder Bahn), so kommt Geld in die Staatskasse.
Wird ein Unternehmen nach privatwirtschaftlichen Richtlinien geführt, arbeitet es mutmaßlich profitabler und marktwirtschaftlicher. Das kommt den Kunden zugute (mehr Service, niedrigere Preise), und es fließt auch Geld in die Staatskasse (als Dividenden).
Veränderungen und Verbesserungen lassen sich leichter gegenüber der Belegschaft durchsetzen. Die Mitarbeiter sind ja keine unkündbaren Beamten mehr, sondern Angestellte.
    Die Privatisierung oder der Betrieb mit nicht-verbeamteten Mitarbeitern bringt nach Ansicht der Kritiker aber auch Nachteile:
In privatisierten Unternehmen können Mitarbeiter streiken. So legte zum Beispiel ein Streik der Sicherheitskontrolle im Frühjahr 2013 den Flughafen Hamburg lahm. Der Betreiber des Flughafens durfte keine Ersatzmitarbeiter anheuern, um den Betrieb aufrecht zu erhalten, weil die »Sicherheit« eine »hoheitliche Aufgabe« der Bundespolizei ist – die aber auf private Dienstleister übertragen wurde. Für die Mitarbeiter ist es gut, dass sie streiken können, wenn sie sich schlecht bezahlt fühlen. Für die Kunden hingegen ergeben sich damit neue Unsicherheiten, die sie früher nicht kannten.
Die Mitarbeiter in privaten Unternehmen dürfen zwar streiken, aber sie können auch entlassen werden. Die Arbeitsplatzsicherheit in Staatsunternehmen ist größer.
Die Ex-Staatsunternehmen neigen häufig dazu, ihre Monopolstellung auch nach der Privatisierung zu verteidigen. Der erwünschte Wettbewerb entsteht so nicht.
Ein privatisiertes Unternehmen muss betriebswirtschaftlich rechnen, also Kosten sparen. Das spüren dann auch die Kunden. Zum Beispiel wenn Postfilialen wegrationalisiert werden.
Auch im Nicht-Unternehmensbereich hat der Staat immer mehr Beamtenstellen abgeschafft. Viele Lehrer etwa sind heute nur noch Angestellte, zum Teil nur mit Zeitverträgen. Sie fühlen sich dann aber unsicherer. Ursprünglich sollten Lehrer und Professoren auch deshalb Beamte sein, um sich unkündbar unabhängig zu fühlen und dem Staat gegenüber entsprechend freier und kritisch auftreten zu können. Wer um seinen Job bangen muss, hat dem staatlichen Arbeitgeber gegenüber eine schwächere Position, hat vielleicht auch eher Angst, schlecht bewertet zu werden. Aus Sicht von Eltern oder Schülern kann das aber natürlich auch ein Vorteil sein! Der Lehrerberuf wird damit insgesamt aber nicht unbedingt attraktiver.
    Es ist noch nicht lange her, da war der deutsche Staat ein Großunternehmer: Strom, Wasser, Gas, Telefon, Post, Bahn, Lufthansa – das alles gehörte Deutschland (also uns allen). Aber waren wir damit zufrieden? Nein! Überall saßen unkündbare Beamte, die gerne mal im Zeitlupentempo ihre Arbeit verrichteten – und denen es egal war, ob sie Geld verschwendeten. War ja nicht ihr eigenes. Und Konkurrenz, sagt man, belebt das Geschäft. Deshalb sollten die Monopole fallen, die Kunden sollten mehr Auswahl bekommen, die Preise sinken. Einiges davon ist wahr geworden, anderes aber nicht.
    Speziell das Telefonieren ist tatsächlich viel, viel billiger geworden – die vielen Wettbewerber haben einen Preiskampf begonnen, in dem die T-Com (früher Teil der Deutschen Bundespost) mithalten musste. Der Preisverfall liegt natürlich auch an technischen Entwicklungen und daran, dass die Baukosten für das Telefonnetz mittlerweile eingespielt sind. Ein nationales Ferngespräch, für das man Ende der neunziger Jahre noch 60 Pfennig (etwa 30 Cent) pro Minute zahlen musste, kostet heute bestenfalls noch einen Cent. Auch kann sich heute praktisch jeder ein Handy leisten. Das war am Anfang anders, damals konnten sich nur reiche Leute Handys und Autotelefone leisten, weil sie so teuer waren. Als 1990 das sogenannte C-Netz eingeführt wurde, kostete ein »Handy« (das damals noch Koffergröße hatte) rund 10000 D-Mark. Schon bemerkenswert, wie sich Technik und Preise in den letzten 20 Jahren verändert haben …
    Für die privatisierten Unternehmen ergaben sich allerdings durchaus Probleme, die man so nicht vorausgesehen hat. Die Telekom etwa übernahm nicht nur zigtausende Beamte, die sie nicht einfach auf die Straße setzen konnte, sondern auch zahlreiche Pensionsverpflichtungen für

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