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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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und Armee zu bezahlen. Doch vor lauter Schulden und Zinszahlungen bleibt ihnen überhaupt kein Spielraum mehr, Geld für anderes auszugeben. Hoffnungslos überschuldet zu sein, ist daher auch für Staaten keine gute Sache. Deswegen waren in den vergangenen Jahren alle so bemüht, Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien finanziell zu stabilisieren – koste es (fast), was es wolle. Denn die Kosten und Gefahren, die eine Staatspleite in der Europäischen Union oder der Euro-Zone mit sich brächte, sind zumindest beängstigend unbekannt. Also lieber noch ein bisschen dafür zahlen, dass alles so bleibt, wie es ist, als zu riskieren, dass es irgendwie, abrupt und unplanbar, anders wird.
    Im Rahmen dieser hitzigen Diskussionen tauchte immer wieder die Behauptung auf, selbst Deutschland könnte über kurz oder lang pleitegehen. Und so abwegig ist der Gedanke nicht. Ein überschuldeter Staat kann sich vielleicht ein wenig länger durchmogeln als ein überschuldeter Privathaushalt – aber ewig geht das nicht. Die Bundesregierung hat während der in den USA ausgelösten Weltfinanzkrise im Herbst 2008 eine Garantie gegeben für die rund 1,6 Billionen Euro, die deutsche Sparer bei Banken liegen haben. Frau Merkel und der damalige Finanzminister Steinbrück traten vor die Presse und hielten gewissermaßen eine beruhigende Rede an die Nation. Tenor: »Macht euch keine Sorgen, wir haften, wenn alle Stricke reißen. Also werdet jetzt bloß nicht hysterisch und rennt zu euren Banken.« Das war die implizite Botschaft. Hat auch gewirkt, die deutschen Sparer behielten die Nerven. Aber die Summe, die insgesamt garantiert wurde, war unvorstellbar hoch! Seitdem sind diese Summen noch weiter gestiegen, weil andauernd irgendwas garantiert (= stabilisiert) werden soll und nicht mehr nur die deutschen Sparer beruhigt werden müssen.
    Zwar sind es eben nur Garantien, die erst mal nichts kosten, aber was passiert, wenn der Staat das Geld tatsächlich auszahlen müsste – würde Deutschland dann pleitegehen? Man kann sich jedenfalls schlecht vorstellen, wie diese Summen tatsächlich garantiert (= gezahlt) werden sollten, wenn es zum Äußersten käme.
    Im schlimmsten Fall hilft nur der radikale Neuanfang
    Und Staatspleiten sind ja durchaus nicht nur ein theoretisches Gespenst. Es gab sie immer wieder. Ein Staat verschwindet zwar nicht wie eine Firma, die schließen muss, wenn sie bankrott ist. Aber auch ein Staat kann pleite sein, selbst wenn er weiterexistiert. Wie kommt es zur Pleite? Zunächst kann jeder Staat ziemlich viele Schulden machen. Doch selbst damit ist irgendwann Schluss – nur eben meist zu spät. Dann spricht sich international herum, dass man diesem Staat besser kein Geld mehr gibt, weil man es vermutlich nie wiedersieht, und auch die Zinsen nicht mehr gezahlt werden. Die sogenannten Rating-Agenturen tragen dazu ihren Teil bei.
    Man hielt das ursprünglich für eine tolle Idee, einige internationale Agenturen zu haben, die Staatspapiere neutral bewerten und Anlegern damit helfen zu entscheiden, ob sie lieber diesem oder jenem Staat Geld leihen. Inzwischen gibt es aber nicht nur berechtigte Zweifel daran, wie neutral diese Agenturen tatsächlich sind und wie sinnvoll ihre Kriterien. Noch problematischer ist, dass eine Handvoll Agenturen und ihre Mitarbeiter über das Schicksal ganzer Staaten und damit von Millionen Menschen entscheiden können. Ein schlechtes Ranking kann die Abwärtsspirale nämlich enorm beschleunigen. Wenn ein Staat als derart pleitegefährdet gilt, dass ihm niemand mehr Geld leihen will, dann ist er nämlich ziemlich schnell tatsächlich endgültig pleite. Er kann seine Beamten nicht mehr bezahlen, die städtischen Krankenhäuser haben kein Geld mehr für Medikamente und Ärzte, die Müllabfuhr kommt nicht mehr, die Kanalisation wird nicht mehr repariert usw.
    In seiner Not kann der Staat in dieser Situation nur noch selbst Geld drucken, doch dafür bekommt er zum Beispiel keine Waren aus dem Ausland, weil niemand mehr die Währung dieses Staates akzeptiert. Keiner glaubt mehr daran, dass dieser Staat noch aus den Miesen kommt. Argentinien ging das 2001 so, es erklärte sich bankrott und stellte alle Zahlungen an ausländische Gläubiger ein. Auch Deutschland war schon mal pleite, nämlich nach dem Ersten Weltkrieg, 1923, und dann gleich noch mal nach dem Zweiten Weltkrieg, 1948. Im Zweifelsfall hilft in dieser Lage nur noch ein radikaler Neuanfang mit neuer Währung, neuer Regierung,

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