Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
Schuldendienst drauf. Viele Milliarden, die man schön für anderes ausgeben könnte.
Ebenso umstritten wie das Schuldenmachen selbst ist der Nutzen einer »Inflation«, wenn also das Preisniveau insgesamt steigt. Viele Fachleute halten eine leichte Inflation von 1 bis 3 Prozent für ganz gut – die Waren werden ein wenig teurer, dadurch verdienen die Händler ein wenig mehr, sodass sie wiederum ihren Mitarbeitern ein bisschen mehr bezahlen können – und nach einem Jahr geht alles wieder von vorne los. Mit ein bisschen Inflation seien die Bürger auch eher motiviert, ihr Geld auszugeben und die Wirtschaft zu beleben, statt es aufs Sparbuch zu legen, wo es bei Inflation ständig an Wert verliert. (Inflation heißt ja Geldentwertung: Man bekommt weniger für den gleichen Betrag. Für Sparer ist es ein schlechtes Geschäft, wenn die Inflation die Zinsen auffrisst.) Steigt die Inflation aber über 3 Prozent, gilt das unter Ökonomen als riskant, die Wirtschaft »überhitze« dann, die Löhne halten mit den Preissteigerungen nicht mehr mit, die Sparer werden zu sehr geschädigt, und die ganze schöne Idee, die Wirtschaft zu beleben, funktioniert nicht mehr. Die Zahl »Drei« gilt unter Volkwirten übrigens als magisch: 3 Prozent Wachstum, 3 Prozent Inflation und 3 Prozent Arbeitslosigkeit seien Richtwerte für eine Wirtschaft, die sich im Gleichgewicht befindet, also stabil ist. Man spricht hier vom »magischen Dreieck«. Letztlich ist das aber auch nur eine Theorie unter vielen.
Könnte Deutschland pleitegehen?
Offiziell begrenzt wird das Schuldenmachen bei uns durch verschiedene deutsche Gesetze (»Schuldenbremse«) und durch die Regeln der Euro-Länder. Jedes Jahr muss in Deutschland ein neuer Finanzhaushalt aufgestellt werden, bei dem Einnahmen und Ausgaben gegenübergestellt werden. Das »Haushaltsdefizit«, also das Geld, das im laufenden Jahr fehlt, darf nach europäischer Vorgabe nicht höher sein als 3 Prozent des »Bruttoinlandsproduktes« (das ist der Wert aller in einem Jahr im Inland produzierten Güter und Dienstleistungen, abgekürzt BIP ). Zugleich darf die Gesamtverschuldung nicht höher sein als 60 Prozent dieses Bruttoinlandsproduktes. Das sind die sogenannten Maastricht-Kriterien (bei einem Gipfeltreffen im holländischen Maastricht wurden sie 1992 beschlossen).
Das klingt alles gut. Nur gibt es reichlich Möglichkeiten, sich die ganze Sache schönzurechnen. Tatsächlich liegen die Schulden nämlich aufgrund aller möglichen Rechen- und Buchhaltungstricks eher bei 80 Prozent des BIP . Deswegen sind diese Vorschriften zwar eine Bremse, aber kein unüberwindliches Hindernis. Und so ist es auch zu erklären, dass Länder wie Griechenland, Italien oder Zypern jahrelang offiziell die Euro-Kriterien erfüllt haben. Und wenn es ganz dicke kommt, kann man sich ja auch über die Schuldengrenzen hinwegsetzen. Deutschland war 2002 eines der ersten Länder, das die neuen europäischen Defizitkriterien nicht einhielt und die Mahnungen aus Brüssel kühl lächelnd ignorierte. Spätestens da war klar, dass das mit den Verschuldungsverboten in Europa ganz so ernst nicht gemeint sein kann, Staaten zumindest nicht ernsthaft von anderen Staaten bestraft werden, wenn sie sich nicht an die Regeln halten. Damals schien das kein großes Problem zu sein, ein paar Jahre später hielt Deutschland die Kriterien ja auch wieder ein. Inzwischen haben wir in Europa allerdings eine dramatische Verschuldung mit gefährlichen Konsequenzen.
Übrigens haben fast alle Länder der Welt hohe Schulden. Die Entwicklungsländer in Afrika sowieso, aber auch die sogenannten Industrienationen wie Japan und die USA (jeweils um 10 Billiarden Euro), oder eben Deutschland. Aber die Zinsen zahlen sie immerhin sehr zuverlässig. Deshalb haben kein Staat und keine Bank ein Interesse daran, knallhart das geliehene Geld zurückzufordern. Denn wenn der erste Staat zugibt, eigentlich pleite zu sein, geraten auch die anderen ins Wanken, wie Dominosteine oder ein Kartenhaus. Vorerst scheint es besser, weiter voneinander Zinsen zu kassieren und zu hoffen, dass es irgendwie schon gut ausgehen wird.
Wenn Staaten allerdings so heftig verschuldet sind wie einige Euro- und viele Dritte-Welt-Länder, gelten sie als Risiko-Schuldner, sodass ihnen kaum noch einer Geld leihen will. Zumindest müssen sie dafür horrend hohe Zinsen zahlen. Das tun sie auch, denn sie brauchen das Geld, um überhaupt zahlungsfähig zu bleiben, also zum Beispiel wenigstens Polizei
Weitere Kostenlose Bücher