Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
kontrollieren. Hätten wir drei konkurrierende Münzprägeanstalten, dann würden die so viel Euros herstellen, wie sie lustig sind, und für fünfzig Cent das Stück unters Volk werfen. Nur: Die Euros wären dann nicht mehr viel wert, weil jeder Berge davon hat.
Mit Pässen ist es ähnlich: Könnte jeder Schlüsseldienst auch Ausweise ausstellen, wären sie vielleicht bunt und schön, aber sicher nicht einheitlich und einigermaßen fälschungssicher. Mit der Durchführung solcher Aufgaben werden durchaus Privatfirmen beauftragt, aber Angebot und Nachfrage darf nicht der Markt regeln, sondern sie müssen gerecht kontrolliert werden. Der Drucker darf am Personalausweis verdienen, aber nicht derjenige, der ihn an die Bürger ausgibt – sonst wäre bald ein günstiger Dreierpack zum Sonderpreis im Angebot. Polizei, Ordnungsämter, Gerichte und Verwaltungsstellen werden also staatlich geführt, weil das für den Bürger und das Gemeinwesen sinnvoll ist und es hier nicht um Profit gehen kann.
Schulen und Universitäten wiederum sind Mischformen. Der Staat schreibt für alle den Lehrplan vor und betreibt viele Schulen auch selbst, aber es gibt auch Privatschulen, die den Eltern versprechen, dass die Kinder dort nicht nur das offiziell vorgeschriebene Pensum lernen, sondern noch viel mehr oder besser oder zumindest in schöneren Räumen. Außerdem gibt es staatliche Unternehmen, die das Gleiche anbieten wie private: Schwimmbäder, Museen, Theater. Bei privaten Betreibern rechnen diese sich oft nur mühsam, und der Staat will sicherstellen – auch um den Preis von Subventionen (also Zuschüssen) –, dass allen Bürgern ein solches Kultur- und Freizeitangebot offensteht und dass es halbwegs bezahlbar bleibt. Den Eintrittspreis in ein schlichtes städtisches Schwimmbad können sich eben mehr Menschen leisten als die Tageskarte im Superspaßbad mit Wellnesslandschaft und Riesenrutsche. Und mit städtischen Theatern und Opernhäusern soll die Kultur gefördert werden, weil man ahnt: Die Zahl der Bürger, die regelmäßig ins Theater gehen und dafür zahlen, ist überschaubar. Also werden Kultureinrichtungen subventioniert, um eine entsprechende kulturelle Vielfalt zu erhalten. Dagegen gibt es wenige Widerstände. Jeder Einzelne zahlt dafür ja nicht bewusst, die Kulturausgaben fließen aus dem allgemeinen Steuertopf, und im Prinzip finden die meisten Bürger Kultur wichtig, selbst wenn sie persönlich diese Angebote gar nicht nutzen. Würde hingegen von jedem Steuerzahler explizit eine Theatersteuer erhoben, bei der man genau sieht, wie viel man für sein städtisches Theater zuzahlt, wäre das eventuell anders.
Wie gut ist der Staat als Unternehmer?
Dass früher auch Telefonie, Elektrizität, Gas und Wasser fest in Staatshand waren, hatte zunächst praktische Gründe: Es sind Angebote, die für die Bürger lebensnotwendig sind (die sogenannte Daseinsvorsorge) – und ihre Erstellung ist immens teuer. Es lohnt sich nicht, Deutschland mit zwei parallelen Schienennetzen zu überziehen, damit darauf zwei konkurrierende Eisenbahnen fahren können. Und es ist auch nicht sinnvoll, in einem Wohngebiet vier Wasserleitungen und acht Stromleitungen von entsprechend vielen Versorgungsunternehmen zu legen. All diese Leitungen müssen aber erst mal gelegt werden. Für private Unternehmen wären solche riesigen Infrastrukturmaßnahmen zu teuer. Bis sich ein Schienennetz rechnet, vergehen Jahrzehnte. Deshalb hat man lange Zeit gedacht, es wäre am besten, wenn der Staat die »Infrastruktur« baut (also Gleise verlegt, Telefonleitungen zieht usw.) und die Nutzung auch gleich selbst verkauft. Das hat einen großen Vorteil: Mit diesem Staatsmonopol kam richtig Geld in die Kasse, weil es keinen Preiswettbewerb gab. Wer telefonieren wollte, musste bis 1998 dafür zahlen, was die Telekom eben haben wollte. Und wenn nicht genug Geld eingenommen wurde, war das auch egal, weil die Verluste mit Steuergeldern ausgeglichen wurden. Irgendwann ist man aber daraufgekommen, dass auf einem Schienennetz Züge verschiedener Anbieter fahren können, dass ein Telefonnetz von mehreren Telefonfirmen benutzt werden kann und dass sich auch mehrere Versorger eine Gasleitung teilen können. Die »Infrastruktur« gehört weiter dem (ehemaligen) Staatsunternehmen, muss aber gegen eine Nutzungsgebühr auch der Konkurrenz zur Verfügung gestellt werden.
Vor allem in den achtziger und neunziger Jahren gab es eine regelrechte Privatisierungswelle, und die großen
Weitere Kostenlose Bücher