Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
die ehemals beim Staat angestellten Mitarbeiter. Bis heute kann sie außerdem die Löhne nicht ganz so brutal drücken oder unbegrenzt Leute entlassen wie rein private Unternehmen; das ist von ihrem Großaktionär, dem Staat, politisch nicht gewollt. Tut sie es teilweise trotzdem, sind die Widerstände größer als bei privaten Konkurrenten, die neu anfangen und von vornherein weniger und billigere Mitarbeiter einstellen.
Wer profitiert, leidet manchmal aber auch
Der neue Konkurrenzdruck hat aber auch für die Kunden durchaus Nachteile. Weil der Wettbewerb auf dem Telefonmarkt besonders hart ist, sparen zum Beispiel alle Anbieter einschließlich Telekom beim Service. Bei Störfällen wird man schon mal wochenlang erfolglos von Hotline zu Hotline weitergereicht und von wenig geschulten Call-Center-Mitarbeitern vertröstet. Anderes Beispiel: Auch die Privatisierung der Lufthansa hat die Preise sinken lassen, aber dafür gibt es jetzt bei Kurzstreckenflügen nichts mehr zu essen, und die Sitzabstände wurden verringert (um mehr Leute an Bord zu pressen). Damit kann man ja noch leben. Aber der Druck, billig zu sein, könnte in privatisierten Branchen auch dazu verleiten, dass wichtige Infrastruktur-Elemente nicht mehr gut genug gepflegt oder Sicherheitsstandards ignoriert werden, um Kosten zu sparen. Als im Münsterland Strommasten umknickten und es tagelang keinen Strom gab, hieß es, der Energiekonzern RWE habe Geld gespart, statt die Masten ordentlich zu warten. RWE bestritt die Vorwürfe allerdings – die Masten seien wegen extremer Schneefälle umgeknickt; das wäre Pech gewesen und hätte auch einem Staatsunternehmen passieren können.
In manchen Bereichen – Bahn, Gasversorgung – ist es auch ziemlich schwierig, neue Firmen zu etablieren, also Wettbewerb herzustellen, weil das Geschäft finanziell so riskant ist. Also musste der Staat seinen neuen Konkurrenten auch noch Geld dazugeben, damit der Wettbewerb überhaupt erst mal in Gang kam. Den Strommarkt beherrschen immer noch einige wenige Großkonzerne, die sich die Regionen aufteilen (Vattenfall im Nordosten, EnBW im Süden etc.) Inzwischen sind zwar sehr viele kleinere Konkurrenten entstanden, aber sie haben mit Widrigkeiten zu kämpfen. Vielen Kunden ist es zu mühsam, wegen ein paar Euro zu wechseln, und immer wieder gehen solche Stromversorger plötzlich pleite, weil sie versucht haben, zu billig zu sein. Diese Unsicherheit bei unbekannten Stromanbietern wiederum macht den Kunden noch weniger Lust auf Wechsel.
Gegebenenfalls muss der Staat auch Vorschriften erlassen, damit die Kunden nach wie vor versorgt sind. Da sich zum Beispiel wegen der weiten Wege mit der Postzustellung auf dem platten Land absolut nichts verdienen lässt, mussten die neuen Postdienstleister gesetzlich verpflichtet werden, dort zum gleichen Kurs wie überall sonst auszutragen. So dürfen seit einiger Zeit auch Konkurrenten der Post Pakete und Päckchen zustellen. Und dennoch herrscht kein fairer Wettbewerb. Denn die Post nimmt keine Mehrwertsteuer, die Konkurrenten müssen das aber. Das bedeutet: Kassiert die Post einen Euro, kann sie den ganzen Euro behalten. Hermes, UPS und die Kurierdienste müssen von dem Euro gleich 19 Cent Mehrwertsteuer ans Finanzamt zahlen; es bleiben ihnen also nur 81 Cent für die gleiche Leistung. Sie müssen daher viel knapper kalkulieren (oder machen weniger Gewinn), wenn sie zum gleichen Preis anbieten wollen wie die Post. Und um Kunden von der Post wegzulocken, müssen sie sogar noch versuchen, billiger zu sein. Aber auch die Post und ihre Tochterfirma DHL stehen unter höherem Kostendruck. Früher kannte man seinen Boten noch persönlich, der im Traum nicht auf die Idee gekommen wäre, ein Päckchen einfach in den Hausflur zu knallen, statt in den 5. Stock zu steigen. Wenn die Boten heute manchmal weniger einsatzfreudig sind, kann man ihnen das aber nur schwer zum Vorwurf machen, denn sie stehen inzwischen unter einem ungeheuren Zeitdruck. Eigentlich erstaunlich, dass es trotzdem noch so viele Austräger gibt, die sich Mühe geben und die Nachbarn abklingeln, angesichts der Mini-löhne, die sie erhalten.
Privatunternehmen müssen Produkte anbieten, die möglichst viele Leute zu diesem Preis auch wollen. Und der Kunde ist nun mal meist geizig. Bei den Managern großer Aktiengesellschaften kommt noch etwas hinzu: Sie bekommen Sonderzahlungen, wenn der Börsenkurs des Unternehmens steigt. Der Börsenkurs steigt aber nicht, weil ein Unternehmen neue
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