Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
Arbeitsplätze geschaffen oder die alten erhalten hat. Sondern wenn es seinen Gewinn erhöht. Und Gewinn erhöht man, indem man mehr verkauft oder die Kosten senkt. Am besten beides. Und Kosten kann man sparen, indem man Löhne drückt und Leute entlässt.
Andererseits: Wenn der Börsenkurs steigt, freut das wiederum alle, die Aktien haben. Also zum Beispiel auch Arbeitnehmer, die in eine Lebensversicherung einzahlen (die nämlich das Geld in Aktien anlegt). Insofern ist es schwierig, genau zu sagen, wo man selbst eigentlich steht und wovon man profitiert oder nicht.
Sollten wir uns Staatsunternehmen also wirklich zurückwünschen? In vielen Bereichen eher nicht. Denn Staatsunternehmen können ohne Konkurrenz gemütlich vor sich hin werkeln, und das ist im Zeitalter der Europäischen Union und des globalen Wettbewerbs kaum noch möglich. Wir müssten die Grenzen dichtmachen, um nur einen Anbieter zuzulassen und zu schützen. Das hat man in der DDR versucht – mit dem Ergebnis, dass in der DDR wahrscheinlich bis heute nur der Staatsratsvorsitzende ein Handy hätte.
Ist der Staat also ein schlechter Unternehmer? Meistens ja, weil ihm Konkurrenz und Gewinnstreben fehlen. Staatsunternehmen sind auch nur selten innovativ. Die Bereiche, die privatwirtschaftlich funktionieren, in denen man richtig Geld verdienen kann und Wettbewerb entsteht, sollten besser nicht in öffentlicher Hand sein, denn sonst zahlen die Kunden meist mehr, als sie müssten. Aber ein Naturgesetz ist das auch nicht. Auch schwant manchen Kommunen mittlerweile, dass sie ihr »Tafelsilber verscherbelt haben«, wie es so schön heißt, also lukrative Wirtschaftsbereiche aus der Hand gegeben haben, um einmalig Einnahmen durch den Verkaufserlös zu erzielen, die aber auch schnell ausgegeben waren. So manche Stadt wünschte sich, sie hätte noch die Einnahmen aus öffentlichen Unternehmen, zum Beispiel aus Stromwerken, die verkauft wurden, ohne dass danach tatsächlich Wettbewerb entstand und die Bürger wie gehofft von niedrigeren Preisen profitierten. Außerdem wäre unser Alltag ganz ohne Staatsunternehmen ärmer (weniger Parks, Opernhäuser, Bibliotheken). Und zu guter Letzt will der Staat in manchen Bereichen sicher sein, dass man nicht zu abhängig vom Ausland wird. Man muss Unternehmen dafür nicht verstaatlichen, aber die Politik kann darauf achten, dass Konzerne in bedeutsamen Industriebereichen wie Telekommunikation, Banken, Logistik, Post und Energie nicht zum Beispiel komplett von chinesischen Staatsfonds aufgekauft werden. Bei manchen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge, zum Beispiel beim Trinkwasser, ist noch lange nicht ausgemacht, dass private Unternehmen damit verantwortungsvoller und zuverlässiger umgehen als staatliche. Auch deshalb gibt es in der öffentlichen Diskussion inzwischen einen Trend, der sich von der Privatisierungsbegeisterung der achtziger und neunziger Jahre wieder abwendet.
Warum müssen sich Politiker anständiger verhalten als ihre Wähler?
Wer glaubt, zu wissen, was richtig für andere ist, muss natürlich mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb liegt die moralische Messlatte für Politiker – aber zum Beispiel auch für Lehrer und Pfarrer – höher. Darüber stolpern sie immer wieder, von bizarren Entgleisungen über finanzielle Unsauberkeiten bis zu abgeschriebenen Doktorarbeiten oder gar öffentlichen Lügen.
Jeder muss sich an dem messen lassen, was er selbst predigt. Und speziell Politiker dürfen sich im Zeitalter von »Bürgerreportern« und YouTube-Videos keinen Moment der Schwäche oder Unaufmerksamkeit mehr leisten. Das gilt in dieser Intensität sicher nur noch für Showstars: Kaum steigt ein Filmsternchen ohne Unterhose aus dem Auto, geht das entsprechende Foto schon um die Welt. Mit dem Unterschied, dass sie genau das wollen, sonst würden sie ja ihre Slips nicht im Schrank liegen lassen. Politiker wollen auch, dass ständig viel über sie berichtet wird. Der Schuss kann manchmal allerdings schwer nach hinten losgehen.
2001 hatte der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping ( SPD ) mit seiner neuen Freundin im Swimmingpool auf Mallorca für Fotografen posiert (Schlagzeile: »Minister total verliebt«) – während Bundeswehrsoldaten kurz davor standen, in einen gefährlichen Einsatz auf den Balkan (Mazedonien) geschickt zu werden. Das war schlechter Stil, fand auch seine Partei. Scharping ging dann sehr schnell auch politisch baden. Sein Verhalten war ungeschickt und unsensibel – es
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