Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
Männerfreundschaften ein bisschen aus der Mode gekommen. Eine berühmte Männerfreundschaft gab es in den achtziger Jahren zwischen CDU -Chef Helmut Kohl und CSU -Chef Franz Josef Strauß. Sie konnten sich auf den Tod nicht ausstehen und inszenierten deshalb stundenlange Spaziergänge, auf denen sie sich angeblich »unter Männern« aussprachen, zum Wohle ihrer Parteien. Da sah man die beiden starken Männer der Union in Freizeitkleidung nebeneinander hergehen und sich scheinbar prächtig unterhalten. Es wurde dabei viel gelacht und Schultern geklopft. Zumindest, solange die Kamera dabei war. Die beiden behaupteten, dass sie eine »Männerfreundschaft« hätten, in der man sich natürlich auch mal haut und boxt, also Konflikte aushält (was Frauen in ihren Freundschaften angeblich nicht so gut können). In Wahrheit wusste längst jeder, dass die zwei Spitzenpolitiker erbitterte Konkurrenten waren. Eine andere Männerfreundschaft war die zwischen den SPD -Politikern Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine. Auch sie gingen spazieren und ließen sich zusammen mit ihren Frauen auf einem schönen Aussichtsplatz fotografieren, ebenfalls in Freizeitkleidung und kumpelig lachend. Zwischen sie passe angeblich »kein Blatt Papier«, versicherten sie, so eng seien sie miteinander. Tatsächlich waren sie damals schon Feinde. Die Idee war, dass Schröder Kanzlerkandidat ist, weil er mehr Wähler überzeugt, und Lafontaine Parteichef, weil die Sozialdemokraten ihn lieber mögen. Lafontaine bekam nach der Wahl den zweitwichtigsten Posten im Kabinett – er wurde unter Schröder Finanzminister. Nach kurzer Zeit warf er aber das Handtuch, verließ auch die Partei und stieß damit alle Sozialdemokraten, die ihn so gern gemocht hatten, böse vor den Kopf. Manche meinen, dass Oskar Lafontaine Jahre später nur deshalb eine neue Partei gegründet hat, weil er sich an Schröder persönlich rächen wollte. Letztlich schadete er damit nicht mehr Schröder, sondern der ganzen SPD , deren Chef er selbst mal war. Lafontaine versicherte natürlich, dass er das nur aus politischer Überzeugung tue. So oder so: Von Männerfreundschaften in der Politik ist meist nicht viel zu halten.
Mehrheiten »organisieren« Das ist die wichtigste Aufgabe jedes Politikers. Und insbesondere ist es eine ständige Aufgabe für die Einpeitscher der Regierungsparteien. Sie müssen zusammen mit den Fraktionschefs dafür sorgen, dass bei Abstimmungen über Gesetze genug Abgeordnete anwesend sind und zustimmen. Das kann manchmal ziemlich schwierig sein, denn Abgeordnete sind nicht nur Stimmvieh, die zu allem brav Ja sagen. Manchmal muss man innerhalb einer Koalition auch Deals machen: »Ihr stimmt bei Gesetz X zu, weil das für unsere Partei wichtig ist, und dafür bekommt ihr im Gegenzug demnächst das Gesetz Y, das ihr euch so wünscht, da machen wir dann mit.«
Meute Herablassend gemeinter Begriff für Journalisten, die in Berlin politischen Informationen oder auch nur Gerüchten hinterherjagen.
Neue Mitte Wahlkampfslogan der SPD im Bundestagswahlkampf 1998, den sie gewann – so wie vorher der sozialdemokratische Brite Tony Blair die jahrzehntelange Vorherrschaft der britischen Konservativen beendet hatte. Schröder hat ihm das ein bisschen nachgemacht. In England hieß das »der dritte Weg«, the third way. Blair meinte damit eine politische Richtung, die weder kapitalistisch noch sozialistisch sein sollte. Als Spitzenkandidat der britischen Labour-Partei (übersetzt: Arbeiter-Partei) bewegte er seine Partei damit weg von sehr linken, sozialistischen Positionen auf einen dritten Weg. In eine Neue Mitte sozusagen. Mitte klingt immer gut, Mittelweg (dritter Weg) auch: von allen Seiten das Beste, etwas Neues, aber nichts Extremes. Die meisten Menschen sehen sich gerne in der Mitte. Auch SPD -Spitzenkandidat Gerhard Schröder drückte seine Partei politisch mehr nach rechts, also mehr in Richtung Mitte, und machte sie damit für bürgerliche, konservativere Wähler wählbar. Er tat das vor allem aus der Überzeugung, dass Wahlen »in der Mitte« gewonnen werden. Dass man also nur erfolgreich sein kann, wenn man nicht nur für linke Wähler, sondern für alle wählbar ist. In der Neuen Mitte sollten die Sozialdemokraten etwas marktwirtschaftlicher und reformfreudiger werden und sich stärker am Gedanken der Leistungsgesellschaft orientieren. Heute ist bei der SPD von der Neuen Mitte keine Rede mehr. Tony Blair wiederum hat in Großbritannien einen Nachahmer bei der
Weitere Kostenlose Bücher