Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
gute Figur macht, sich also in den schicken Wohnzimmern (»Salons«) gut situierter Leute wohlfühlt, dort mühelos mit Unternehmern und Managern plaudert, ganz selbstverständlich genauso teure Anzüge trägt wie sie und Champagner trinkt. Manche finden, dass das nicht zusammenpasst, und nennen solche Politiker deshalb »Salon-Sozi«. Als die Linkspartei-Politikerin Sahra Wagenknecht, die besonders überzeugt kommunistisch auftritt und ständig die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus anprangert, dabei »ertappt« wurde, wie sie in einem französischen Luxusrestaurant Hummer verzehrte, hatte sie allerdings eine schlagfertige Antwort parat: »Ich kämpfe für eine Gesellschaft, in der alle Menschen Hummer essen können.« Ach so. Na dann. Die Fotos waren ihr trotzdem so unangenehm, dass sie sie gelöscht haben wollte.
Schwergewicht Leute, die etwas zu sagen haben, die wichtig und einflussreich sind. Mit ihrem Körpergewicht hat der Begriff nichts zu tun, auch kleine, dünne Menschen können politische Schwergewichte sein.
Seeheimer Kreis In jeder Partei und vor allem in den großen Volksparteien gibt es verschiedene Flügel und Gruppen. Leute, die sich nahestehen und eine ähnliche Auffassung haben, kleine Vereine innerhalb des großen Vereins sozusagen. In der SPD gibt es seit vielen Jahrzehnten eine Gruppe Parlamentarier, die sich »Seeheimer Kreis« nennen. Sie sind eher rechts, also konservativer als andere SPD ler, und achten zum Beispiel darauf, dass die Sozialdemokraten vom linken Parteiflügel die Realitäten der Marktwirtschaft nicht ganz aus den Augen verlieren. Wie jeder Verein pflegen die Seeheimer bestimmte Rituale, man trifft sich in bestimmten Kneipen, macht jeden Sommer ein Spargelessen und Ähnliches. Es gibt noch andere solcher Cliquen innerhalb der SPD , zum Beispiel die »Netzwerker«, zu denen sich eher jüngere SPD ler zusammengeschlossen haben, und die »Parlamentarische Linke«. Der Name »Seeheimer Kreis« kommt daher, dass sie in den späten siebziger Jahren regelmäßig in einem Gebäude in dem hessischen Ort Seeheim tagten.
Seilschaft Der Begriff stammt eigentlich aus dem Klettersport und bezeichnet Bergsteiger, die zur Sicherheit mit einem Seil verbunden sind – jeder hilft dem anderen. In Wirtschaft oder Politik werden persönliche Beziehungen oft »Seilschaft« genannt. Grundlage solcher Netzwerke kann Sympathie sein, in der Regel geht es aber um ein gemeinsames Interesse, nämlich das Interesse, nach oben zu kommen. Meist handelt es sich um Gruppen von Leuten, die sich irgendwann angefreundet haben und sich seitdem helfen, ihre Karrieren voranzutreiben. Wie am Berg kann eine Seilschaft auch in der Politik riskant sein, denn wenn einer strauchelt, wird es für alle gefährlich. In der Politik werden Seilschaften heikel, sobald sie öffentlich werden, zum Beispiel im Zuge eines Skandals. Sie funktionieren also am besten, solange sie sich im Stillen die Hände reichen.
Sommerloch Das Sommerloch ist ein Problem für Journalisten und eine Chance für unbekannte Hinterbänkler. Während der Parlamentsferien im Sommer gibt es nur wenige innenpolitische Nachrichten. Es gibt keine Parlamentsdebatten, keine Kabinettssitzungen, keine Parteitage. Der ganze Bereich »Innenpolitik« ist leer: ein Loch eben! Zeitungen und Fernsehsender möchten aber nicht nur über andere Länder berichten, sondern auch über Innenpolitik, und überlegen angestrengt, wie sie die nachrichtenarme Sommerloch-Zeit überbrücken können. Zum Beispiel mit Sommerinterviews. Dafür reisen Journalisten an die Urlaubsorte von Politikern, die auf diese Weise bequem die Chance haben, sich bürgernah darzustellen und ausführlicher als sonst zu Wort zu kommen. Das nutzt also beiden, dem Politiker und den Medien. Manchmal kann man das Sommerloch auch mit dem Ungeheuer von Loch Ness füllen, das immer dann auftaucht, wenn auf der Welt sonst nichts los ist. Oder mit Krokodilen, die angeblich im Rhein gesichtet wurden. Oder mit Forderungen nach einer Ehe auf Zeit, die alle sieben Jahre automatisch geschieden wird (das war ein Vorschlag der bayerischen Politikerin Gabriele Pauli). Manchmal leiden deutsche Politiker aber auch unter den Sommerlöchern in anderen Länder: Nach deutschenfeindlichen Sprüchen des italienischen Tourismus-Staatssekretärs sah sich Kanzler Schröder 2003 gezwungen, den eigenen Italien-Urlaub abzusagen. Mit schönem Dank ans Sommerloch!
Sponti Mit Spontaneität hat das nur bedingt zu tun. Nicht jeder
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