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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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alle einig sein. Das kann mühsam sein, und manchmal geht’s auch nur im Schneckentempo voran, weil wir inzwischen so viele sind in der EU . Außerdem haben dadurch kleine Länder einen Vorteil, denn ihre Regierungschefs dürfen sich querstellen und einen gemeinsamen Plan ablehnen. Und dann können sie von den Regierungschefs großer Länder, die für viel mehr EU -Bürger sprechen, auch nicht gezwungen werden, Ja zu sagen. Die Abstimmungsregeln sollten mit dem neuen Verfassungsvertrag geändert werden, zum Beispiel sollte dieses sogenannte Veto entfallen. Aber vorerst bleibt noch alles beim Alten … weil ja alle, auch die Kleinsten, einstimmig und freiwillig darauf verzichten müssten. Nur bei Personalfragen (zum Beispiel, wen die Staats- und Regierungschefs als Kommissionspräsidenten vorschlagen) gilt inzwischen die qualifizierte Mehrheit statt der Einstimmigkeitsregel. »Qualifiziert« bedeutet bislang, dass die Stimmen kompliziert gewichtet werden. Ab 2014 ist das einfacher geregelt: Es müssen mindestens 55 Prozent der Ratsmitglieder dafür sein (das wären 16 von 28 Mitgliedstaaten), und zugleich müssen sie mindestens 65 Prozent der EU -Bevölkerung repräsentieren. So soll es erleichtert werden, Entscheidungen zu treffen. Die großen Länder haben dadurch etwas an Einfluss gewonnen, weil es ihnen natürlich leichterfällt, einen genügend großen Teil der EU -Bevölkerung für eine Mehrheit zusammenzubekommen.
Leicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat ist der »Rat der Europäischen Union«. Er wird auch Ministerrat genannt, trifft ebenfalls in Brüssel zusammen und besteht aus den Fachministern der einzelnen Staaten beziehungsweise deren Vertretern. Hier können zahlreiche Gesetze beschlossen werden, dabei kommt dann aber auch das Europäische Parlament ins Spiel. In den einzelnen Ministerrunden geht es immer um deren jeweilige Fachthemen, also zum Beispiel um Landwirtschaft im sogenannten Agrarrat, in dem die Landwirtschaftsminister zusammensitzen. Seit dem Vertrag von Lissabon werden im Normalfall Mehrheitsentscheidungen getroffen (mit qualifizierter Mehrheit, nur bei sehr heiklen Themen, zum Beispiel in der Außenpolitik, gilt auch im Ministerrat die Einstimmigkeitsregel). Die Minister sind zwar offiziell für die Gesetzgebung zuständig, zusammen mit dem Parlament, aber sie treffen wichtige Entscheidungen natürlich in Absprache mit ihren jeweiligen Regierungschefs. Zugleich müssen die Minister auch für deren Gipfel viel Vorarbeit leisten, damit nur noch einige zentrale strittige Punkte »übrig bleiben«, die dann von den Staats- und Regierungschefs in mühsamen langen Sitzungen geklärt werden. Viele andere Fragen werden hingegen schon im Vorfeld von den Fachministern »weggearbeitet« und müssen dann von oben nur noch abgesegnet werden.
Die einzige vom Volk direkt gewählte EU -Institution ist das Europäische Parlament, das zwölfmal im Jahr für vier Tage in Straßburg zusammentritt. Die Ausschüsse und Fraktionen tagen allerdings in Brüssel, und das Generalsekretariat hat seinen Sitz in Luxemburg. Insofern kurven die Abgeordneten ziemlich viel durch die Gegend, was immer wieder als Geld- und Zeitverschwendung kritisiert wird. Die unterschiedlichen Standorte stammen noch aus der Anfangszeit der EU , damals sollten eben mehrere Länder wichtige Gebäude bekommen. Das Europäische Parlament entspricht in etwa dem Bundestag – hier sitzen von den Bürgern gewählte Abgeordnete aus verschiedenen Parteien. Mit dem Beitritt Kroatiens im Sommer 2013 wurde die Anzahl von 754 auf 766 aufgestockt – aber bei der Europawahl 2014 werden nur noch 751 Sitze vergeben werden, da dies laut Vertrag von Lissabon die maximale Abgeordnetenzahl ist. Wie viele Abgeordnete ein Land hierherschicken kann, richtet sich nach der Bevölkerungszahl, Deutschland wird ab 2014 voraussichtlich drei Sitze weniger belegen als bisher. Auch Österreich und elf weitere Länder verlieren jeweils einen Sitz. Diese Verteilung beschloss das Europäische Parlament im März 2013.
    Während der Ministerrat die Staaten vertritt, ist das Parlament die Bürgervertretung in der EU . Die Abgeordneten gruppieren sich in Fraktionen wie im Bundestag – also nicht nach ihrer Staatenzugehörigkeit, sondern nach ihren Parteien. In der Fraktion der Sozialdemokraten sitzen zum Beispiel die deutschen SPD -Abgeordneten zusammen mit den Labour-Politikern aus Großbritannien, den Sozialisten aus Frankreich usw. Die Fraktionen heißen allerdings

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