Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
Euro-Krise ist sie allerdings auch als Staaten- und Bankenretterin aktiv geworden, was eigentlich so nicht vorgesehen war und hoch umstritten ist.
Nicht zu verwechseln mit dem mächtigen Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs ist der Europarat, der im Europapalast in Straßburg sein Domizil hat. Seine Aufgabe besteht darin, einen engeren Zusammenschluss der Mitglieder zu fördern. In seinem »Ministerkomitee« sitzen die Außenminister, in der »Parlamentarischen Versammlung des Europarats« Mitglieder der Landesparlamente, also zum Beispiel des Bundestags. Auch Vertreter außereuropäischer Länder wie Japan, Kanada, Mexiko oder den USA gibt es. Wirklich zu sagen hat der Europarat allerdings nichts, hier werden vor allem grundsätzliche Diskussionen geführt. Der Europarat beschäftigt sich viel mit Menschenrechten und gilt deshalb auch als das »Gewissen Europas«. Beispielsweise hat er in der sogenannten CIA -Affäre festgestellt, dass die USA bei ihrem Anti-Terror-Kampf mutmaßliche Terroristen bei Verhören foltern ließ.
Wer hat mehr zu sagen – die nationalen Regierungen oder »Brüssel«?
Die stärkste Macht können die europäischen Regierungen ausüben, wenn sie gemeinsam auftreten. Das ist auch so gewollt: Einigkeit macht stark. Auch wenn diese vielleicht nicht immer gewollt, sondern manchmal erzwungen ist. Die europaweit wichtigsten Vorgaben macht der Europäische Rat (in dem alle Regierungschefs sitzen): Er legt die grundsätzliche Marschrichtung fest. Und der Rat der Europäischen Union (in dem die jeweiligen Fachminister aller Staaten sitzen) ist das wichtigste gesetzgebende EU -Gremium. Somit stammen die entscheidenden Stimmen immer direkt aus den aktuellen nationalen Regierungen. Aber: Wenn die sich erst einmal geeinigt haben, wacht die Europäische Kommission darüber, dass die Absprachen in Zukunft auch eingehalten werden! Wenn eine EU -Richtlinie ergeht, hat sie im Normalfall Vorrang vor landesspezifischen Wünschen. Heißt: EU -Recht wird meist als wichtiger angesehen als Bundes- oder Landesrecht. Außerdem macht die EU -Kommission immer wieder neue Vorschläge für neue Gesetze beziehungsweise Richtlinien, mit denen sich die Regierungen dann befassen müssen, diese Vorgaben können nicht ignoriert werden. Insofern hat auch die Kommission eine Menge zu sagen.
Das Europa-Parlament hat noch am wenigsten zu melden, obwohl die Parlamentarier inzwischen viel mehr Mitspracherechte haben. Das ist auch deshalb nötig, weil die Zahl der Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat zugenommen hat. Was wiederum bedeuten kann, dass Länder überstimmt werden und damit auch deren Parlamente, die ja eigentlich für Gesetzgebung zuständig sind. Dieses »Demokratiedefizit« (siehe unten) soll dadurch ausgeglichen werden, dass das Europa-Parlament mehr mitreden darf, wenn die EU -Kommission und die europäischen Regierungen gemeinsam neue Europa-Gesetze machen.
Insofern haben die nationalen Regierungen gemeinsam mehr zu sagen als das EU -Parlament, die EU insgesamt wiederum ist aber mächtiger als eine einzelne nationale Regierung. Der gewachsene Einfluss der EU ist jedoch äußerst umstritten. Zumal sich die Frage stellt, über wie viel Macht die nationalen Parlamente noch verfügen, also zum Beispiel der deutsche Bundestag. Denn im Sinne der Gewaltenteilung sollen die Exekutive (Regierung) und der Gesetzgeber (Parlament) zwar eng zusammenarbeiten, aber nicht identisch sein. Doch in der EU haben die nationalen Regierungen zugleich die größte gesetzgeberische Macht. Die von den Bürgern direkt gewählten Abgeordneten im Europa-Parlament spielen zwar einen wichtigen Part, ihre Rolle ist aber nicht zu vergleichen mit der zentralen demokratischen Funktion der Abgeordneten in den nationalen Parlamenten. Außerdem wird in der EU auch gern mal »über Bande« gespielt, wie beim Billard: Nehmen wir mal an, ein Umweltschutzgesetz scheitert in Deutschland am Widerstand des Wirtschaftsministers, weil es für Firmen teuer würde. Dann übernehmen die Umweltfreunde in Brüssel, dort wird das Gesetz von dem Ministerrat abgesegnet, in dem alle europäischen Umweltminister sitzen (und keine lästigen Wirtschaftsminister). So kann das Gesetz am Ende über Brüssel doch durchgedrückt werden. Wegen der wechselnden Besetzung des Ministerrats mit den jeweiligen Fachleuten entfällt häufiger die Kontrolle durch andere Ressorts. Man sitzt ja nicht gemeinsam am Tisch wie das Bundeskabinett in Berlin. Auch werden manchmal
Weitere Kostenlose Bücher