Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
etwas anders als bei uns im Bundestag. Die sozialdemokratische Fraktion etwa heißt »Progressive Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament«. Die Fraktion der Christdemokraten heißt »Fraktion der Europäischen Volkspartei«. Bis Mitte 2009 wurden die Bezüge der EU -Abgeordneten von ihren Heimatländern festgesetzt und unterschieden sich erheblich. Inzwischen bekommen alle dasselbe: 7956,87 Euro brutto im Monat, das sind 38,5 Prozent der Bezüge eines Richters am Europäischen Gerichtshof (und weil die Abgeordneten sehr wenig Steuern zahlen müssen, bleiben davon netto 6200,72 Euro). Dazu kommt eine pauschale monatliche Spesenerstattung von rund 4200 Euro – egal, wie viele Kosten tatsächlich angefallen sind. Das klingt ungerecht, ist aber durchaus sinnvoll, weil die Abrechnung vieler hundert Einzelbelege viel zeitaufwändiger (und damit teurer) wäre, als einfach alle über einen Kamm zu scheren. Außerdem dürfen Abgeordnete noch für höchstens 19709 Euro/Monat Mitarbeiter beschäftigen. Alles in allem ist ein Sitz im EU -Parlament also ein gut dotierter Posten. Größter Kritikpunkt: Das Gehalt steigt automatisch und von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, wenn die Richterbesoldung angepasst wird. Und darüber entscheiden die Regierungen.
Ministerrat und Parlament teilen sich die Gesetzgebungsaufgaben und kontrollieren einander gegenseitig. Können sie sich nicht einigen, wird ein Vermittlungsausschuss gebildet. Das Europäische Parlament kann außerdem die Europäische Kommission (siehe unten) stürzen, ihr also das Misstrauen aussprechen. Und es wählt zudem den Kommissionspräsidenten, einen entsprechenden Personalvorschlag machen allerdings die Staats- und Regierungschefs. Eines der wichtigsten Rechte des Parlaments ist es, den EU -Haushalt abzusegnen, also den Finanzplan. Deshalb hat das Europäische Parlament inzwischen mehr Macht, als viele EU -Bürger vermuten.
Die Europäische Kommission in Brüssel ist dafür zuständig, dass sich alle an die gemeinsamen Regeln halten, sie darf Länder ermahnen und (theoretisch) sogar bestrafen – und sie hat die wichtige Aufgabe, dem Ministerrat und dem Europäischen Parlament Vorschläge zu unterbreiten. Die dürfen sich nämlich nicht irgendwelche Gesetze ausdenken, sondern können nur auf Anregung der Kommission tätig werden. Das ist ihr sogenanntes »Initiativrecht«, auf das sie auch ziemlich stolz ist. Die Mitglieder der Europäischen Kommission heißen Kommissare und stammen zwar aus den einzelnen Mitgliedstaaten, sollen aber nicht im Dienste ihrer Heimat handeln, sondern nur im übergeordneten Interesse Europas. Ihr Job besteht also darin, sich als Europäer zu fühlen, nicht als Deutsche oder Schweden oder Griechen. Aber so ganz will man sich darauf wohl nicht verlassen. Es gibt nämlich exakt so viele Kommissare wie Mitgliedsländer, das heißt: Jedes Land kann einen Platz besetzen. Die Kommissare werden von den nationalen Regierungen vorgeschlagen, müssen aber vom Europäischen Parlament bestätigt werden. Einer von ihnen ist jeweils »Kommissionspräsident« und hat viel Einfluss im Gesamtgetriebe der EU . Die EU -Kommission ist sozusagen der »Maschinenraum« der EU . Wenn von »Brüssel« die Rede ist, ist meistens die Kommission gemeint. Hier entstehen neue Pläne und Ideen, hier wird Geld verteilt, und hier wird überwacht, ob sich alle EU -Staaten, aber auch Unternehmen und Verbände, an die Regeln halten. Der Wettbewerbskommissar etwa legt sich regelmäßig mit großen Konzernen an, die gegen das europäische Wettbewerbsrecht verstoßen, zum Beispiel heimlich Preisabsprachen treffen. Die Kommission übernimmt in der EU viele Aufgaben, die auf nationaler Ebene von Regierung und Verwaltung übernommen werden. Insofern ist sie gewissermaßen die »Exekutive« der EU .
Der Europäische Gerichtshof ist das höchste Gericht in Europa. Hier können sogar die Gesetze einzelner Länder für ungültig erklärt werden, wenn sie EU -Vorschriften widersprechen.
Der Europäische Rechnungshof prüft Einnahmen und Ausgaben der EU sowie den geplanten »Haushalt«, in dem steht, wie viel Geld in Zukunft wofür ausgegeben werden soll. Im Gegensatz zu den einzelnen Staaten darf die EU übrigens keine Schulden machen.
Die Europäische Zentralbank ( EZB ) bestimmt die Geldpolitik in den Euro-Ländern. Dabei geht es vor allem darum, durch die Senkung oder Erhöhung von Zinsen die Preise und damit den Geldwert stabil zu halten. Im Zuge der
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