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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Währung. Soros und seine Mitspieler liehen sich Milliarden Pfund und tauschten sie in D-Mark und französische Franc um. Sie erhöhten damit gewissermaßen die Nachfrage nach diesen Währungen und senkten zugleich die Nachfrage nach dem Pfund. Die britische Notenbank versuchte gegenzusteuern, indem sie das Zinsniveau anhob, das Pfund also künstlich verteuerte. Das hielt sie aber nicht lange durch und musste schließlich doch aus dem europäischen Währungsverbund aussteigen und eine Abwertung hinnehmen. Damit waren prompt die geliehenen Devisenbestände (zum Beispiel D-Mark), die Soros angehäuft hatte, mehr wert. Er konnte sie wieder in Pfund umtauschen, bekam dafür entsprechend mehr Pfund als vorher, und so blieb ihm nach der Rückzahlung seiner geliehenen Pfund ein ordentliches Sümmchen und die Erkenntnis, das man eine einzelne Notenbank in die Knie zwingen kann. Euro-Gegner sehen aber genau darin ein Argument für ihre Skepsis: Früher wurde nur gegen einzelne Währungen gewettet, heute kann die Wette gegen einzelne Staaten das ganze Euro-System ins Wanken bringen.
    Ist der Euro ein »Teuro«?
    Immer wieder wurde über den Euro gesagt, er sei ein »Teuro«. Dahinter steht das Gefühl, dass seit seiner Einführung alles teurer geworden sei. Ökonomen sprechen hier allerdings von einer nur »gefühlten Inflation« und begründen das wie folgt: In manchen Bereichen gab es tatsächlich unmittelbar nach der Einführung erhebliche Preissteigerungen, vor allem in der Gastronomie. Das heißt, wenn eine Currywurst mit Pommes vorher fünf Mark kostete, wurde nicht korrekt auf 2,56 Euro umgerechnet, sondern es standen nun drei Euro auf der Karte, manchmal auch drei fünfzig. Den Kunden, die noch in D-Mark »fühlten«, fiel das nicht auf. Ein schöner »Mitnahmeeffekt«, den der Currybuden-Besitzer sich gönnte. Erst wenn man umrechnete, merkte man, wie unverschämt teuer manche Restaurants geworden waren. In besonders krassen Fällen überklebten Wirte auf ihrer Speisekarte einfach die Währung DM mit einem Euro-Zeichen.
    Hinzu kommt, dass die Güter, die tatsächlich teurer wurden, meist in bar bezahlt werden (etwa die Currywurst); da spürt man dann Preisschübe besonders deutlich. Tatsächlich lag die Preissteigerung direkt nach der Euro-Einführung insgesamt nur bei 2,3 Prozent, was normal ist. 2002 war die Steigerung in Deutschland sogar etwas niedriger als 2001. Und heute liegt sie ziemlich konstant unter 2 Prozent – viel niedriger als in den neunziger Jahren. Seit Einführung des Euro ist das Preisniveau insgesamt also stabiler als zu D-Mark-Zeiten. Das liegt daran, dass die »Inflation« in Warenkörben gemessen wird. Während einige Waren oder Dienstleistungen teurer wurden, sanken in anderen Bereichen die Preise. Elektronische Geräte etwa oder das Telefonieren sind viel preiswerter geworden, Autos und Urlaubsreisen ebenfalls. Auch die Wohnungsmieten sind in Deutschland über viele Jahre nur sehr moderat gestiegen (erst in letzter Zeit steigen sie in vielen Großstädten wieder stark an).
    Auf der anderen Seite wurden die Löhne und Gehälter hierzulande in den letzten zehn Jahren kaum erhöht. Das hat Deutschland zwar sehr wettbewerbsfähig gemacht und gilt als ein Grund dafür, dass wir heute nicht solche massiven Wirtschaftsprobleme haben wie andere Euro-Länder. Aber es bedeutet für den Einzelnen, dass er jede Preissteigerung schmerzlicher spürt.
    Wenn heute bei vielen Deutschen noch ein Teuro-Gefühl herrscht, dann liegt das aber auch daran, dass in der Erinnerung das D-Mark-Preisniveau von 2001 quasi »eingefroren« ist. Beim Vergleichsrechnen stehen also immer noch der DM -Preis für eine Currywurst im Jahr 2001 neben dem Euro-Preis knapp zehn Jahre später – aber auch in Mark müsste man heute mehr zahlen, das wird gern vergessen.
    Dass in Deutschland die Wehmut nach der alten D-Mark noch relativ stark ausgeprägt ist, liegt außerdem daran, dass wir Deutschen so einfach umrechnen können. Während andere Länder richtig kompliziert rechnen müssten, um noch zu wissen, wie hoch der Preis in ihrer alten nationalen Währung gewesen wäre, brauchen wir ja einfach nur zu verdoppeln. Für alle, die noch mit dem D-Mark-Gefühl aufgewachsen sind, bleibt es also leicht, weiterhin in D-Mark zu rechnen. Deshalb hatte man es hierzulande schwerer, sich an den Euro zu gewöhnen. Ganz abgesehen davon, dass wir Deutsche sehr stolz auf unsere starke D-Mark waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb ja auch nicht

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