Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
»Jetzt ist aber auch mal gut, immer diese Kriegsgeschichten«, wird der Sache nicht gerecht.
Die EU ist mittlerweile die größte Handelsmacht der Welt und kann daher zum Beispiel beim weltweiten Umweltschutz oder Arbeitnehmerrechten Druck machen. Gleiches gilt in außenpolitischen Fragen. Allerdings tut sich die EU gerade hier sehr schwer, weil bisher selten alle Mitgliedstaaten einer Meinung waren, etwa bei der Frage, ob man bei einem Militäreinsatz mitmacht oder nicht.
Auch EU -intern ist es leichter, grenzüberschreitenden Umweltproblemen (zum Beispiel Luft- oder Wasserverschmutzung) auf die Spur zu kommen und sie gemeinsam zu bekämpfen. Verschmutzte Luft hält sich nun mal nicht an nationale Grenzen; gerade der Umweltschutz ist deshalb besonders geeignet für gemeinsame Regeln auf einem Kontinent.
Die EU will für mehr Wettbewerb sorgen. Durch den Euro lassen sich Preise gut vergleichen, und wenn ein Händler sieht, dass eine Ware in Spanien viel billiger ist als in Deutschland, kauft er sie halt dort. Das senkt insgesamt die Preise und ist somit gut für Verbraucher. Die EU -Kommission in Brüssel achtet auch darauf, dass sich große Unternehmen nicht heimlich absprechen oder Monopole entstehen.
Die Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung und bei der Verhinderung von Terroranschlägen erweist sich als sinnvoll, weil Planung und Vorbereitung ja nicht am Tatort erfolgen müssen, sondern möglicherweise grenzüberschreitend ablaufen. Terroristen in Köln können sich leicht mit Terroristen in Spanien verständigen und gemeinsam etwas planen. Also muss auch die europäische Polizei grenzüberschreitend zusammenarbeiten.
Die Flugsicherheit wurde durch einheitliche Standards erhöht. Zugleich sanken durch Konkurrenz die Preise: Weil in Europa die Märkte geöffnet wurden, konnten die Billigfluglinien entstehen, mit denen sich viele Bürger heute Flugreisen leisten können, die früher den Besserverdienenden vorbehalten waren. In meiner Kindheit war es überhaupt nicht üblich, »in den Urlaub zu fliegen«. Man packte sein Auto, einschließlich Thermoskanne und hart gekochten Eiern und fuhr zig Stunden über die Autobahn, mit länglichen Aufenthalten »an den Grenzen«. Last minute nach Mallorca? Gab es damals noch nicht. Klingt für Jugendliche heute wie eine antike Sage – ist aber sooo lange noch gar nicht her (ehrlich nicht!).
Auch schön: besserer Verbraucherschutz durch strengere Regeln für Hersteller. Einheitliche Richtlinien zur Lebensmittelqualität. Einheitlicher Tierschutz.
Und: Wer sich in seinem Heimatland ungerecht behandelt fühlt, kann vor dem Europäischen Gerichtshof klagen – so setzen sich mit der Zeit EU -weit Standards durch.
Und welche Nachteile hat die EU ?
Sie ist oft langsam und unbeweglich. Meist kann man sich nur auf den »kleinsten gemeinsamen Nenner« verständigen. Denn bei allen wichtigen Entscheidungen müssen deutliche Mehrheiten erzielt werden. Das heißt: Wenn eine Maßnahme richtig und wichtig wäre, aber einigen nationalen Einzelinteressen nicht in den Kram passt, ist sie in Europa nicht durchsetzbar.
Alle Waren, die in einem EU -Land erlaubt sind, dürfen überall verkauft werden. Etwa gentechnisch veränderte Lebensmittel. Dagegen könnte die deutsche Regierung nichts machen, selbst wenn sie wollte.
Bei einem gemeinsamen Binnenmarkt, in dem Waren munter kreuz und quer transportiert werden, häufig über verschiedenste Zwischenhändler, ist es schwerer, kriminellen Machenschaften auf die Spur zu kommen. Das merkt man bei Lebensmittelskandalen: Wer hat das Pferdefleisch ins Rinderhack gemischt, das dann falsch deklariert in halb Europa vertrieben wurde?
Die Osterweiterung der EU war zwar sehr sinnvoll, um nach dem Zusammenbruch des Ostblocks Frieden in Europa zu schaffen. Den ehemaligen Ostblock-Ländern bot die EU eine wichtige Orientierung, um Demokratie und Marktwirtschaft zu entwickeln. Die Osterweiterung eröffnete auch neue Märkte, auf denen deutsche Unternehmen Waren verkaufen und produzieren können. Die Länder brauchen aber zugleich noch längere Zeit hohe finanzielle Zuschüsse von der EU . Geld, das zumindest kurzfristig anderswo fehlt.
Durch die neue Bewegungsfreiheit im erweiterten Europa entsteht auch eine sogenannte Billigkonkurrenz. Einerseits finden wir es prima, dass es preiswerte Putzfrauen aus Polen bei uns gibt. Andererseits schimpfen deutsche Handwerker, wenn ihnen die Ehemänner dieser Putzfrauen als Fliesenleger Aufträge wegschnappen. So hat
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