Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
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Konzerne können innerhalb der EU leichter fusionieren und damit viel Marktmacht entwickeln oder Preisabsprachen treffen. Das ist zwar verboten, kommt aber immer wieder vor.
Bei aller polizeilichen Zusammenarbeit und Kontrolle der Außengrenzen: Fachleute warnen, dass die Kriminalität in der EU doch steigen könnte. Denn bei den zahlreichen Kontrollen früher sei für Kriminelle die Wahrscheinlichkeit, an einer Grenze erwischt zu werden, eben doch höher gewesen.
Oft erlässt die EU Richtlinien, und wie die einzelnen Länder das vorgegebene Ziel im Einzelnen erreichen, entscheiden die nationalen Regierungen. Das führt dann zu einem lustigen Regelchaos, weil zwar EU -weit ungefähr das Gleiche gilt, aber eben nicht genau das Gleiche.
Obwohl regionale und lokale Unterschiede geschützt werden sollen, führt die immer stärkere wirtschaftliche Vernetzung dazu, dass kulturelle Eigenheiten auf der Strecke bleiben, zum Beispiel lokale Dialekte oder Lebensmittelspezialitäten. Das ist aber ein weltweites Phänomen im Zeitalter der Globalisierung. Der EU allein kann man daran keine »Schuld« geben.
Als Bürger hat man leicht das Gefühl, dass die EU über unsere Köpfe hinweg entscheidet. Dass da lauter unbekannte Leute in unbekannten Gremien sitzen, die Dinge entscheiden, nach denen wir uns dann richten müssen. Das wird als Einmischung empfunden. Diese »Bürgerferne« zeigt sich auch am relativen Desinteresse der EU -Bürger an den Wahlen zum Europäischen Parlament.
Immer wieder geht es auch um die Frage, wie viel »Fremdheit« wir (und alle anderen EU -Bürger) ertragen und erfahren wollen. Fast zwanzig Jahre lang wurden Gastarbeiter nach Deutschland gelockt. Dann versuchte man, sie wieder loszuwerden. Jetzt stehen unsere Grenzen jedem EU -Ausländer offen. Das hat uns einerseits näher zusammengebracht. Dass auch die Italiener mal »Gastarbeiter« waren, kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen! (Wer sonst hätte uns beigebracht, wie man ordentlichen Kaffee kocht und dass man da keine Sahne aus Plastikbechern reinkippt, sondern Cappuccinoschaum.) Vielleicht werden uns die Rumänen und Bulgaren irgendwann genauso vertraut sein. Den ehemaligen DDR -Bürgern sind diese Länder auch schon bekannter als den Westdeutschen. Derzeit sorgen die Armutsflüchtlinge, die aus einigen südosteuropäischen Regionen kommen, aber eher für Ressentiments. Die Europäische Union versucht dabei, zwei divergierende Interessen unter einen Hut zu bringen: Die eigenen Bürger sollen sich innerhalb der EU frei bewegen können; wer in Slowenien keinen Job findet, findet vielleicht einen in Finnland. Tatsächlich ist Finnland ein beliebtes Ziel für deutsche Ärzte, die mit den Arbeitsbedingungen an deutschen Kliniken nicht mehr zufrieden sind. Deutsche Arbeitgeber wiederum sind froh über Spargelstecher oder Weinleser aus Polen, Tschechien oder Ungarn. Unter deutschen Arbeitslosen finden sich nämlich nur wenige, die diese harte, schwierige und mäßig bezahlte Arbeit zufriedenstellend machen. Die Freizügigkeit ist also ein Vorteil. Zugleich versucht man, Nicht- EU -Ausländer fernzuhalten. Nur noch Asylanten, denen in der Heimat der Tod droht, dürfen herkommen – keine sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge mehr, die sich »nur« einen höheren Lebensstandard erhoffen. Irgendwann wird man aber vielleicht auch wieder Gastarbeiter aus Nicht- EU -Ländern brauchen. Wenn nämlich auch die Polen keinen Spargel mehr stechen mögen, weil sie bessere Jobs im eigenen Land finden. Vielleicht stechen dann per Billigairline eingereiste Arbeiter aus Malaysia den deutschen Spargel – oder es gibt eben nur noch sehr teuren Spargel im Luxusrestaurant.
Was hat uns der Euro bisher gebracht?
Der Euro als gemeinsame Währung wurde im Jahr 1999 auf dem Papier und drei Jahre später, 2002, als Bargeld eingeführt. Mit ihm zahlen kann man mittlerweile in 18 EU -Staaten sowie in 10 Nicht- EU -Staaten. Die neue Währung ist insofern ein typisches EU -Projekt: Einerseits machen nicht alle EU -Staaten mit (und werden dazu auch nicht gezwungen), andererseits können sich auch Nicht- EU -Länder dem Euro-Raum anschließen, wenn sie sich an die entsprechenden Regeln halten.
In diesen Ländern gilt derzeit (2013) der Euro: Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien und die Republik Zypern. Neben diesen 17 EU -Ländern
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