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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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mehr so viel anderes, worauf man noch stolz sein konnte: die Fußballnationalmannschaft und die D-Mark. Wobei der Bundesbankpräsident deutlich mehr Respekt genoss als die (meisten) Bundestrainer.
    Was spricht gegen den Euro?
    Schon als der Euro eingeführt wurde, warnten Ökonomen: Eine gemeinsame Währung funktioniert nur, wenn sich die Mitglieder auch an gemeinsame Regeln für ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik halten, am besten alle wirtschaftlich ähnlich stark sind. Denn die Währung eines Landes ist immer auch ein Ausdruck dafür, wie es dem Land wirtschaftlich geht: wie wettbewerbsfähig seine Produkte sind, wie hoch die Staatsverschuldung, wie stabil das Preisniveau ist usw. Und sie hängt ab von der Geldpolitik der Notenbank. In einem Land mit hoher Inflation müsste die Notenbank die Leitzinsen erhöhen, Geld also »teurer« machen, um den Wert des Geldes stabil zu halten. Einem anderen Land, das gerade im Konjunkturtief ist, würden höhere Zinsen aber Probleme bereiten. Eine gemeinsame Geldpolitik für viele Länder zu betreiben, wenn die wirtschaftliche Situation dieser Länder sehr unterschiedlich ist, erweist sich offenbar als schwierig.
    Manche Länder, zum Beispiel Italien, hatten vor dem Euro lange Zeit eine hohe Inflation. Das heißt, alles wurde teurer, aber auch die Löhne stiegen – das Geld ist dann immer weniger wert. Eine Portion Spaghetti kostete irgendwann viele tausend Lira. Wer Urlaub in Italien machte, merkte das, wenn er D-Mark in Lira umtauschte: Da kriegte man dann gleich 1000 Lira für eine Mark! Der Wechselkurs der Lira war also entsprechend niedrig, sie war gegenüber der D-Mark viel weniger wert.
    Das hing auch damit zusammen, dass die deutsche Bundesbank stets sehr unabhängig war und (bis heute) streng auf den Geldwert achtet. Der deutsche Staat konnte sich deshalb auch nicht mit Hilfe seiner Bundesbank leicht verschulden, anders als das in anderen europäischen Ländern damals üblich war. Dort haben die Notenbanken gerne geholfen, indem sie Geld »druckten«. Ist eine größere Geldmenge im Umlauf, erhöht das die Inflation. Macht ein Staat viele Schulden, ist Inflation hilfreich. Denn auch das Zurückzahlen der Schulden »kostet« weniger, wenn das Geld im Wert sinkt.
    Solange es unterschiedliche Währungen mit unterschiedlichen Wechselkursen gab, konnte es den Deutschen noch relativ egal sein, wie hoch Staatsverschuldung, Zinsen und Inflation in anderen Ländern waren. Die D-Mark blieb stark. Der Exportwirtschaft gefiel das zwar weniger gut – deutsche Produkte waren für das Ausland teuer. Andererseits konnte man im Ausland billiger einkaufen. Und: Es floss viel Kapital nach Deutschland, weil Anlagen in D-Mark hoch verzinst und damit lukrativ waren. In den neunziger Jahren, als Deutschland die Wiedervereinigung finanzieren musste, stieg durch die höheren Staatsausgaben die Inflationsrate an, die Bundesbank steuerte mit hohen Leitzinsen dagegen, und prompt floss mehr Geld nach Deutschland. Eine Notenbank kann aber auch den umgekehrten Weg gehen: Wenn sie eng mit der Regierung verbandelt ist, senkt sie die Leitzinsen (den Preis für Geld) und hilft damit, die Staatsverschuldung zu erleichtern. Das hat Auswirkungen auf den Wechselkurs, er sinkt. Man bekommt weniger Zinsen, wenn man Anleihen in der Währung dieses Landes kauft, das Interesse geht zurück, die Währung wird international weniger nachgefragt, der Wechselkurs (der Preis für diese Währung) geht runter. Alternativ kann eine Notenbank die Währung explizit »abwerten«, wenn ihr Kurs gegenüber anderen Währungen festgelegt ist (in einem System fester Wechselkurse).
    Ökonomen könnten dazu jetzt noch zig weitere Erklärungen anführen, aber am einfachsten ist die Daumenregel: Hohe Staatsverschuldung und hohe Inflation führen zu einem niedrigeren Wert der Währung. Das kann »von allein« passieren, auf freien Devisenmärkten, das kann aber auch die Notenbank so entscheiden, indem sie die Währung abwertet. Eine Abwertung oder ein Kursverlust kann durchaus Vorteile haben. Die Exportwirtschaft tut sich leichter, das Land wird wettbewerbsfähiger, obwohl es so ein hohes Preisniveau hat. Die Schulden, die man bei ausländischen Gläubigern hat, werden auch noch gleich mitentwertet.
    Blöd nur, dass man dann auf Dauer auch nicht mehr so leicht ausländische Kreditgeber findet. Insofern hat alles mal wieder zwei Seiten. Seine Wirtschaft anzukurbeln, indem man die Währung abwertet, ist eben kein Allheilmittel.

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