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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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riskante Geschäfte eingegangen.
    Woran liegt es, dass so viel billiges Geld floss? Da kommt wieder der Euro ins Spiel. Gerade für jene Länder, die wirtschaftlich schwächer waren, weniger wettbewerbsfähig, war der Euro zunächst ein großer Vorteil. Sie kamen leichter an Geld. Es gibt zwar keine gemeinsamen Eurobonds, aber trotzdem ist die Mitgliedschaft in einem Club mit gutem Ruf einiges wert. Sie zahlten für Kredite niedrigere Zinsen, als sie in Peseten oder Drachmen hätten zahlen müssen. Das war zunächst prima und kurbelte das Wachstum in diesen Ländern an. Leider macht »billiges« Geld immer auch anfällig für unvernünftige Ausgaben. In Griechenland war es der Staat, der sich munter verschuldete, in Spanien wurden eifrig Häuser gebaut usw.
    Hinzu kam, dass sich auf den internationalen Kapitalmärkten plötzlich ein großes Misstrauen gegen ganze Staaten entwickelte, und das gleich reihenweise. Wirtschaft war immer schon zu einem Großteil Psychologie. Doch früher beschränkten sich Mutmaßungen über die wirtschaftliche Verfassung einzelner europäischer Staaten auf Spekulationen über einzelne Währungen. Heutzutage wird darauf gewettet, ob ein Staat pleitegeht und/oder aus dem Euro austritt. Damit gewinnen Krisen eine andere Dimension und stellen alle Beteiligten vor bisher ungeahnte Herausforderungen!
    Man kann das beklagen, und es gibt viele gute Gründe, sich über »wild gewordene Finanzmärkte« und »Raubtierkapitalismus« Gedanken zu machen. Handeln Spekulanten überhaupt noch »rational«, müsste man ihnen nicht eher und energischer Einhalt gebieten? Und ist es sinnvoll, dass eine Handvoll Rating-Agenturen festlegt, wie kreditwürdig ein Staat ist?
    Eines muss man dabei allerdings nüchtern feststellen: Wenn Spekulanten anfangen, auf die Pleite eines Staates zu spekulieren, dann geschieht das in der Regel nicht aus dem luftleeren Raum heraus. Irgendwas ist dann auch tatsächlich faul im Staate – er ist angreifbar geworden – siehe Griechenland.
    Wie sinnvoll ist die Euro-Rettung?
    Mit der Frage nach dem Für und Wider der Euro-Rettungsmaßnahmen gehen gleich mehrere schwierige Themen einher! Man kann erstens in Frage stellen, wie die konkreten Rettungsmaßnahmen in Europa ablaufen, also darüber debattieren, ob es nicht bessere Varianten gäbe. Man kann zweitens darüber diskutieren, ob es nicht besser wäre, wenn einzelne Staaten gleich aus dem Euro austreten und/oder pleitegehen würden. Und man kann drittens die Frage stellen, ob man den Euro nicht vielleicht am besten sowieso ganz aufgibt.
    Das ist ziemlich viel Stoff!
    Und, um es direkt vorweg zu sagen: Es gibt keine eindeutigen, einfachen Antworten. Vieles findet man erst heraus, indem man es tut – mit all den Risiken, die damit einhergehen.
    Zunächst zu den Rettungsmaßnahmen selbst: Seit 2010 schleppen sich die Europäer von einem Rettungspaket zum nächsten. Erst ging es nur um Griechenland, dabei merkte man schnell, dass ein bisschen Hilfe nicht reicht, und inzwischen wurde ein großer Euro-Rettungsschirm aufgespannt, unter den theoretisch jedes Krisenland schlüpfen kann. Dieser neue ständige Rettungsschirm (abgekürzt: ESM ) wird nicht mehr nur ad hoc aufgespannt, sondern schwebt ständig über dem Euro-Raum. Er wird von den Euro-Ländern gemeinsam finanziert, sein Grundkapital liegt bei 700 Milliarden Euro. Überwiegend sind das Bürgschaften und Garantien. Es ist also nicht so, als hätten die Mitglieder tatsächlich 700 Milliarden eingezahlt. Vereinfacht gesagt: Sie tun nur so als ob, sie bürgten für diese Summe. In der Hoffnung, dass allein das die Finanzmärkte beruhigt und den Krisenländern Luft zum Atmen verschafft. Dass es ihnen damit erleichtert wird, sich auf den Finanzmärkten selbst Kredite zu bezahlbaren Zinsen zu holen. Hinter ihnen steht ja der mächtige ESM , das macht sie kreditwürdiger.
    Nach diesem Prinzip soll auch die sogenannte Bazooka funktionieren, die der EZB -Chef Mario Draghi 2012 in Stellung brachte. »Bazooka« hieß eine schwere amerikanische Panzerabwehrwaffe im Zweiten Weltkrieg, daher der Name. Das schwere (Abwehr-)Geschütz der europäischen Zentralbank besteht darin, dass Herr Draghi verkündete, man werde unbegrenzt europäische Staatsanleihen aufkaufen, koste es, was es wolle. Dabei verwendete er einen Trick. Eigentlich darf die EZB nicht direkt von den Ländern Anleihen kaufen, ihnen also direkt Kredit geben. Aber das tut sie formell auch nicht. Sie kauft »nur« jene Papiere,

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