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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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die bereits auf dem Markt sind und zum Beispiel von den Geschäftsbanken gehandelt werden (»Geschäftsbanken« sind all jene Banken, die keine Notenbanken sind, also die normalen Banken und Sparkassen).
    Indirekt finanziert die EZB damit aber trotzdem Staaten. Weshalb der Chef der Deutschen Bundesbank auch die Hände überm Kopf zusammenschlug: Wo bleibt die Unabhängigkeit der Notenbank? Wie lassen sich Inflationsgefahren eindämmen, wenn die EZB so viel Geld auf den Markt wirft? Er konnte sich mit seiner Skepsis aber nicht gegen die anderen europäischen Notenbanker durchsetzen. Sie sitzen gemeinsam in einem Gremium, und dort musste sich der Bundesbank-Chef der Mehrheitsmeinung beugen. Herr Draghi zog sein Bazooka-Ding durch – und zunächst auch mit Erfolg. Die Finanzmärkte zeigten sich beeindruckt: Wow! Das ist mal eine Ansage! Bisher ist auch die Inflation in Europa nicht in die Höhe geschnellt. Trotzdem dürfen sich die Geister scheiden: Hat Draghi tatsächlich zur Euro-Rettung beigetragen – oder hat er langfristig das Vertrauen in die Unabhängigkeit der EZB und damit in die Stabilität des Euro untergraben? Werden sich die Krisenländer berappeln, oder gehen einige irgendwann doch pleite und mit ihnen womöglich die EZB , die sich bis Oberkante Unterlippe mit riskanten Staatspapieren eingedeckt hat?
    Darin liegt das Hauptrisiko aller Euro-Rettungsmaßnahmen, für die europäische Zentralbank wie für die Staaten: Das kann alles gut gehen, wenn die Krise irgendwann wieder vorbei ist. Deutschland verdient sogar an der Krise, weil es Zinsen bekommt für die Kredite, die es Krisenländern gewährt. Griechenland zum Beispiel zahlt uns Zinsen, denn es bekommt seine Hilfen durchaus nicht zum Nulltarif! Daran verdienen die helfenden Staaten und die Notenbanken. Sollten die Krisenländer aber trotz all der Hilfe pleitegehen, dann ist das Geld für diese Kredite und Bürgschaften futsch. Das kennt man aus der Privatwirtschaft: Geht ein Unternehmen tatsächlich pleite, bleibt für die Gläubiger nicht mehr viel. Man kann noch die Stühle aus dem Büro tragen, beziehungsweise wir könnten vielleicht die deutsche Flagge über Kreta hissen, aber das hilft uns auch nicht weiter. Das Problem ist also nicht in erster Linie das Geld, das tatsächlich in Krisenländer geflossen ist – denn so furchtbar viel ist das bisher noch gar nicht. Es sind vor allem die »Ausfall-Risiken«, die mit diesen Rettungsmaßnahmen einhergehen, die besorgniserregend sind.
    Wut auf deutsche »Spardiktate«
    Hinzu kommt ein politisches Problem: Die Geberländer, allen voran Deutschland, wollen unbedingt vermeiden, dass Krisenländer den Eindruck gewinnen: »Ach, ist ja alles nicht so wild, uns wird doch geholfen; also müssen wir uns auch nicht groß ändern, läuft ja.« Damit diese Sorglosigkeit nicht entsteht, werden mit den Rettungsmaßnahmen strenge Auflagen verbunden. Die Länder müssen sparen und sich reformieren.
    Griechenland zum Beispiel hat einen riesigen Beamtenapparat, den es nun abbauen soll. Klingt vernünftig – aber Beamte einfach so rausschmeißen kann auch der griechische Staat nicht. Und ihnen die Bezüge radikal zu kürzen, ist für den einzelnen griechischen Staatsangestellten hart. In Griechenland leben ganze Großfamilien davon, dass wenigstens einer »beim Staat schafft«. Und da wurde auch hier und da betrogen, etwa wenn eine Witwenrente weiterlief, obwohl die Witwe mittlerweile schon gestorben war. Andere Familienmitglieder haben dann weiterkassiert. Wenn ein Land es nicht schafft, eine funktionierende Rentenversicherung aufzubauen, ist das aus der Perspektive des Einzelnen ein naheliegendes Verhalten. Oder wenn der Staat nicht genug einnimmt, um die Ärzte in städtischen Kliniken halbwegs anständig zu bezahlen, liegt es auch nahe, dass sich Korruption ausbreitet. So kann es in Griechenland Hochschwangeren passieren, dass sie vor dem Kreißsaal erst mal um eine inoffizielle »Gebühr« gebeten werden, sprich: Man muss erst mal bestechen. Das ist schon ziemlich krass und lässt erahnen, wie es in einem maroden Staatswesen im Alltag so zugeht. Unser deutsches Gesundheitssystem hat auch gewaltige Probleme – aber dass man Ärzte bestechen muss, damit sie einen überhaupt behandeln? Unvorstellbar!
    Dass in den Krisenländern andererseits vielfach zu hohe Löhne (bezogen auf die Produktivität) gezahlt wurden, dass auch Staatsbedienstete zum Teil höher entlohnt wurden als die Beamten im reichen Deutschland, dass

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