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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Steuerzahler aber auch, die für Banken- oder Staatenrettungen aufkommen. Die werden genauso wenig gefragt, ob ihnen das gefällt. Insofern mag es gerecht erscheinen, dass nun auch Anleger bluten mussten. Damit hatte man zugleich den Banken ein Signal gesetzt: Vorsicht, verlasst euch nicht zu sehr darauf, dass die Staaten eure Kunden schützen, wenn ihr in die Knie geht. Für Zyprer, die jahrelang Geld eingezahlt hatten, um für ihr Alter vorzusorgen, ist das allerdings bitter. Es waren ja nicht nur reiche Russen, die ihr Geld in Zypern angelegt hatten, um Steuern zu sparen oder Geschäfte zu verschleiern.
    Zudem löste das Zypern-Modell allgemein Nervosität aus: Wie sicher sind Spareinlagen unter diesen Bedingungen überhaupt noch? Dass Banken und Staaten pleitegehen können, daran war man in Europa nicht mehr gewöhnt. Dieses Schreckgespenst der Vergangenheit kehrt nun zurück.
    Unterm Strich war Zypern aber kein »systemrelevantes« Problem. Bei Griechenland sieht das etwas anders aus. Zwar ist auch die Wirtschaftskraft Griechenlands überschaubar. Aber das allein ist noch kein Kriterium. Die Griechen waren die Ersten, die so heftig in die Krise gerieten, dass eine Staatspleite faktisch vor der Tür stand; die Aufregung darüber war entsprechend groß. Staatsbankrott eines EU -Landes? Das hatte man nicht für möglich gehalten. Und Griechenland ist auch mehr als nur eine halbe Insel. Hätten die anderen Euro-Länder die Griechen fallen lassen, wäre das ein Signal gewesen, dass der Euro »umkehrbar« ist. Und prompt, so die Befürchtung, würden die Finanzmärkte spekulieren, wer als Nächstes austreten müsste: Portugal? Spanien? Italien? Das Vertrauen in den Zusammenhalt der Euro-Länder könnte zusammenbrechen, und dadurch ein Land nach dem anderen ins Taumeln geraten. Wie Dominosteine.
    Diese Befürchtung muss man nicht teilen, es gibt auch andere Meinungen: Griechenland könnte von einem Euro-Austritt profitieren, mit der Rückkehr zur Drachme könnte es seine Währung abwerten und damit wieder wettbewerbsfähig werden, anstatt weiter unter dem Euro-Spardiktat zu leiden. Fragt sich nur, wie wettbewerbsfähig Griechenland tatsächlich mit der Drachme wäre. So wahnsinnig viele Exportgüter hat das Land ja nicht. Oliven? Schafskäse? Urlaubsinseln? Das ist jetzt natürlich überspitzt formuliert. Griechenland hat natürlich noch mehr zu bieten, seine Mittelmeerlage, seine Häfen, auch Bodenschätze. Aber alles in allem: Zum Exportmeister würden die Griechen vermutlich auch nach einer Abwertung nicht aufsteigen.
    Bislang jedenfalls haben die Griechen immer viel mehr Waren importiert, als sie eigene Produkte im Ausland verkaufen konnten. Um Waren zu importieren, müssten sie aber weiter in Euro zahlen. Oder in Dollar. In jedem Fall in einer Währung, die sehr viel teurer wäre als die Drachme, und zu Preisen, die sich das Pleiteland nicht leisten könnte. Rohstoffe zu importieren, zum Beispiel Öl, würde furchtbar teuer. Viele andere Industrieprodukte, die Griechenland selbst nicht herstellt, auch. Da brennt das Licht im Hotel auf Naxos auch nicht mehr lange. Ganz so einfach funktioniert die Rechnung »Abwerten gleich wettbewerbsfähig werden« also nicht.
    Seine Schulden wäre Griechenland auch nicht los – sie würden sogar steigen, weil sie in Euro gerechnet werden, nicht in der billigen Drachme. Anders wäre es bei einem Staatsbankrott, wenn Griechenland nicht nur zur Drachme zurückkehrt, sondern auch noch die Hände hebt und einen Offenbarungseid leistet. Dann würden alle Gläubiger (vor allem die Deutschen) herbe Verluste erleiden. Griechenland wäre seine Schulden zwar erst mal los (»Sorry, zahlungsunfähig«), aber es würde auch auf Jahre hinaus kaum noch Geld von irgendwem geliehen bekommen. Die griechischen Banken gingen im übrigen auch pleite – mit all den Folgen, die das für eine Wirtschaft hat. Insgesamt würde das griechische Problem jedenfalls nicht »verschwinden«, dem europäischen Nachbarland müsste weiterhin geholfen werden, wenn es aus dem Euro austritt oder gar den Bankrott erklärt.
    Die Frage ist, ob das teurer oder billiger wäre, und ob Griechenland auf Dauer mit einem »Zurück auf Los« nicht vielleicht doch besser gedient wäre. Das ist auch ein Stück Glaubensfrage – genau wie die Frage, ob man an den Euro insgesamt glaubt oder nicht.
    Deutschland ist auch Krisengewinnler
    Immerhin kann man feststellen, dass Deutschland in der Euro-Krise nicht nur gezahlt, sondern auch

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