Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
auch eine Geldstrafe verhängt werden. Was passieren soll, wenn ein Land sich um diese Warnungen nicht kümmert, sondern weiter zu hohe Schulden macht, ist allerdings nicht geregelt.
Briten-Rabatt »I want my money back«, schimpfte einst Margaret Thatcher, die legendäre britische Regierungschefin, bei einem EU -Gipfel 1984. Sie soll sogar mit der Handtasche auf den Konferenztisch geschlagen haben. Thatcher fand, dass die Briten zu viel in den EU -Haushalt einzahlen. Ein großer Teil des Budgets geht für Agrarsubventionen drauf, und die britische Landwirtschaft war damals vergleichsweise klein. Das fand Thatcher ungerecht, und so handelte sie beinhart einen dauerhaften Rabatt für Großbritannien heraus, der auch heute noch gilt. Die Briten sind zwar auch Nettozahler (das heißt, sie zahlen mehr nach Brüssel, als an sie zurückfließt), aber der Betrag ist kleiner, als er es nach regulärer Berechnung wäre. Die anderen Länder haben sich damals darauf zähneknirschend eingelassen, um zu verhindern, dass Großbritannien aus Protest andere europäische Politikbereiche blockiert, wie es das zuvor einige Jahre lang getan hatte. Bis heute ist das Verhältnis der Briten zur EU distanziert, beim Euro machen sie nicht mit und haben auch immer mal wieder mit Austritt aus der EU gedroht.
Doppelte Mehrheit In vielen Politikbereichen der EU gilt mittlerweile das Prinzip der doppelten Mehrheit. Heißt: Eine Entscheidung ist angenommen, wenn sie erstens von 55 Prozent der Mitgliedstaaten unterstützt wird, und zweitens diese Staaten mindestens 65 Prozent der gesamten EU -Bevölkerung repräsentieren. Das ist zwar eine ziemlich hohe Hürde, aber immer noch leichter zu erreichen als Einstimmigkeit, die nach wie vor bei vielen Beschlüssen erforderlich ist, etwa wenn es um die Aufnahme neuer Mitglieder geht.
EFSF/ESM Siehe Fazilität
Eurobonds Staaten verschulden sich, indem sie Staatsanleihen anbieten, in der Hoffnung, dass die jemand haben will und dafür Geld auf den Tisch legt. Staatsanleihen sind Wertpapiere, die der Staat herausgibt und die an der Börse gehandelt werden wie Aktien. Staatsaktien sozusagen. Deutsche Staatsanleihen gehen in letzter Zeit weg wie warme Semmeln, weil die Bundesrepublik bei Kapitalanlegern ein hohes Vertrauen genießt. Gilt ein Staat hingegen als Pleitekandidat, fällt es ihm schwer, noch Interessenten zu finden. Er muss dann sehr hohe Zinsen zahlen, als Ausgleich für das »Ausfall-Risiko«, das der Kreditgeber eingeht, sprich: das Risiko, sein Geld nie wiederzusehen. Haften hingegen alle europäischen Staaten für diese Kredite, sinken die Risiko-Zinsen. Eurobonds gehen noch einen Schritt weiter: Sie sind gemeinsame europäische Staatsanleihen. Die anderen Europäer bürgen also nicht nur für einen einzelnen Schuldenstaat, wie beim Rettungsschirm. Sondern alle geben zusammen ein Papier (Bond) heraus, das dann einen durchschnittlichen Zinssatz hat. Kauft man solche Eurobonds, leiht man damit nicht mehr nur zum Beispiel Griechenland Geld, sondern der ganzen Euro-Zone. Die »schlechten« Schuldner, die hohe Zinsen zahlen müssten, wenn sie mit eigenen nationalen Anleihen Kreditgeber suchen, »verstecken« sich sozusagen in dem gemeinsamen Papier. Deshalb wird das von Deutschland bisher auch abgelehnt.
Eurokraten Rund 35000 Beamte arbeiten für die europäische Bürokratie und werden spaßeshalber Eurokraten genannt. Den Beamten in der Kommission wird nachgesagt, dass sie sich selbst als die eigentlich Mächtigen in Brüssel ansehen, weil sie oft viel länger im Amt sind als ihre Chefs, die Kommissare, die immer nur ein paar Jahre bleiben. Diesen Beamten sei es sozusagen »egal, wer unter ihnen regiert«.
Europa à la carte Nicht alle Mitglieder machen alle Entwicklungen auf dem Weg zu mehr Integration mit. Die Briten etwa haben ihr eigenes Süppchen gekocht, als sie »Nein danke« zum Euro sagten. Europa à la carte heißt gewissermaßen, dass man sich nur das raussucht, was einem passt, wie auf einer Speisekarte. Das klingt eher negativ, nach Rosinenpickerei. Man kann es aber auch positiver formulieren, dann spricht man vom »Europa der zwei Geschwindigkeiten«. Einige Länder gehen dynamisch voraus, andere warten erst mal ab. Vielleicht wäre es beim Euro besser gewesen, wenn der ein oder andere nicht so schnell die volle Menükarte angeboten bekommen hätte.
Euro-Zone Alle Länder, die den Euro als gemeinsame Währung eingeführt haben, gehören zur Euro-Zone beziehungsweise zum
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