Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
Euro-Raum im engeren Sinne. Derzeit sind das 18 Länder.
Familienbild Bei jedem internationalen Gipfeltreffen stellen sich die Staats- und Regierungschefs für das sogenannte Familienbild auf. Vorher wird genau festgelegt, wer wo steht. Am Ende sind dann alle auf einem Foto zu sehen. Das erinnert einen daran, wie bei echten Familientreffen (zum Beispiel bei Hochzeiten oder runden Geburtstagen) die Onkel und Tanten und Cousins vom Fotografen hin und her dirigiert werden, bis sie alle aufs Bild passen.
Fazilität Der Begriff kommt von dem englischen facility , das man sowohl mit Möglichkeit als auch mit Einrichtung übersetzen kann. Man kennt das vom »Facility Manager«, dem neudeutschen Begriff für Hausmeister und Hausverwalter. In der Finanzwelt beschreibt »Fazilität« unterschiedliche Techniken, Kredite einzuräumen. Der Begriff wird vielfältig verwendet. Meist geht es dabei um Kredite, die die Europäische Zentralbank kurzfristig an private Geschäftsbanken vergibt. Dass in Nachrichtensendungen plötzlich von Fazilität die Rede war, hat damit zu tun, dass im Zuge der Euro-Krise 2010 die European Financial Stability Facility eingerichtet wurde: die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität ( EFSF ). Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich eine provisorische Institution, die den Europäischen Rettungsschirm verwaltet. Weil es schnell gehen musste, wurde erst mal nur ein Provisorium eingerichtet. Da ging es zunächst nur um Griechenland, aber rasch wurde klar, dass das Provisorium nicht reichen würde. Die EFSF wurde im Sommer 2013 vom dauerhaften »Euro-Stabilitätsmechanismus« ( ESM ) abgelöst, der im Prinzip das Gleiche macht. Nämlich überschuldeten Euro-Mitgliedstaaten mit Krediten und Bürgschaften zu helfen, damit sie nicht zahlungsunfähig werden. Entweder gibt’s also direkt Geld oder aber eine Bürgschaft, mit der sich diese Staaten dann auf dem normalen Kapitalmarkt leichter Geld beschaffen können. Zum Nulltarif ist das aber nicht zu haben. Staaten, die unter den Rettungsschirm kriechen wollen, müssen sich verpflichten, ihre Finanzprobleme in den Griff zu bekommen, indem sie entsprechende Reformen einleiten und sich strenge Sparprogramme auferlegen.
Festung Europa Je mehr die Grenzen im Inneren der EU fielen, desto höher hat sie ihre Außengrenzen gezogen, sich also gegenüber dem Nicht- EU -Ausland abgeschottet. Wenn die Grenzen im Inneren nur noch auf dem Papier bestehen, aber nicht mehr ernsthaft kontrolliert werden, müssen natürlich die Außengrenzen umso schärfer bewacht werden, damit Straftäter, Terroristen, Schmuggler, illegale Einwanderer nicht in die EU kommen. Von der »Festung Europa« wird vor allem im Zusammenhang mit den Flüchtlingen aus Afrika gesprochen, die über die Mittelmeerländer versuchen, in die europäische »Burg« hineinzukommen. Kritisiert wird, dass die europäische Festung sich ihnen gegenüber menschenunwürdig verhält. Die betroffenen EU -Länder wiederum, etwa Italien, vor dessen Insel Lampedusa regelmäßig viele Flüchtlingsboote stranden, fühlen sich von den anderen Europäern nicht genug unterstützt.
Finalität Der Begriff kommt von Finis, lateinisch: das Ziel. In Europa ist damit gemeint: Wo soll’s hingehen mit der EU ? Wie soll sie am Ende aussehen, in welchen Grenzen soll sie liegen? Soll sie ein Gebilde werden wie die Vereinigten Staaten von Amerika, oder viel weniger? Dazu gibt es sehr unterschiedliche Ansichten, deshalb wird immer wieder über die »Finalität Europas« diskutiert. Das klingt mit Fremdwort immerhin viel besser als die schlichte Frage: »Wohin soll die Reise führen?«
Fiskalunion Eine mögliche Antwort auf die Frage, wohin es mit der EU gehen soll, ist die Fiskalunion. Befürworter glauben, dass nur in einer solchen Fiskalunion eine gemeinsame Währung auf Dauer funktionieren kann und dass sie weniger kostet als immer neue Rettungspakete. Kritiker befürchten, dass die EU zu einer »Transferunion« würde, bei der die reichen Länder permanent die armen alimentieren. Außerdem halten sie nichts davon, zentrale Hoheitsrechte der Staaten abzugeben. Denn in einer echten Fiskalunion würde auch die Finanzpolitik der EU -Länder gemeinschaftlich gemacht, also Steuern erhoben, Ausgaben festgelegt; es gäbe eine Art gesamteuropäischen Finanzminister. Man kann da in der Theorie unterschiedlich weit gehen. Eine vollständige Fiskalunion würde bedeuten, dass die EU tatsächlich wie ein Bundesstaat funktionierte, zwar
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