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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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und am Ende müssten alle für die Schulden aufkommen. Erst recht bei einer gemeinsamen Währung. In Maastricht wurde festgelegt, dass es eine Obergrenze gibt für neue Schulden (nämlich 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) und eine Obergrenze für den insgesamt angewachsenen Schuldenberg (60 Prozent des BIP ). Wer dagegen verstößt, wird erst ermahnt und dann bestraft. Theoretisch jedenfalls. Bislang wurde noch über kein einziges Land tatsächlich eine Geldstrafe verhängt.
    Moral Hazard Wenn man sich darauf verlässt, dass einem die anderen schon irgendwie helfen, wenn man in Schwierigkeiten kommt (siehe Bail out), senkt das Moral und Disziplin. Man wird risikofreudiger und gibt sich weniger Mühe im Umgang mit seinem Geld – wenn’s schiefgeht, springen ja Mami und Papi ein und zahlen mir die Miete. Bei den aktuellen Rettungspaketen für überschuldete Staaten ist deshalb oft vom »Moral Hazard«-Problem die Rede.
    Nationale Tickets Wenn es heißt, dass hohe Beamte in der EU auf »nationalen Tickets laufen«, dann ist damit gemeint, dass die Mitgliedsländer untereinander aushandeln, wer welche Posten besetzt. Eifersüchtig wachen die Regierungen nämlich darüber, dass ihre jeweiligen Landsleute bei der Besetzung der Brüsseler Spitzenjobs nicht zu kurz kommen.
    Poolbilder Hat nichts mit Swimmingpool zu tun! Pool heißt auf Englisch auch Zusammenschluss. Bei internationalen Großereignissen wie Gipfeltreffen darf nicht jeder Fernsehsender jeder Nation seine eigenen Bilder drehen. Die Bilder werden vielmehr »gepoolt«: Einige Kamerateams werden stellvertretend für alle ausgewählt, und die filmen dann, wie sich die Staats- und Regierungschefs im Konferenzraum begrüßen oder sich zum Gruppenbild aufstellen. Dieses Filmmaterial wird später an alle anderen interessierten Fernsehsender weitergegeben, sozusagen vervielfältigt. Deshalb sieht man im Fernsehen überall die gleichen Bilder! Einerseits wird das natürlich aus praktischen Gründen gemacht, weil sonst hunderte Kamerateams kreuz und quer durch einen Raum laufen und nicht nur die Politiker, sondern auch sich gegenseitig stören würden. Andererseits bedeutet das »Poolen« von Bildern, dass die Bilder natürlich besser zu kontrollieren sind, als das bei solchen Gipfeltreffen eh schon der Fall ist. Da wird wenig dem Zufall überlassen, Politik wird inszeniert. Wenn man dann auch noch genau weiß, wann wie viele Kamerateams anwesend sind und dass alle Stationen das Gleiche senden, hilft das bei solchen Inszenierungen natürlich sehr.
    Rettungsschirm Die Gesamtheit aller Maßnahmen, mit denen in den letzten Jahren verschiedenen Euro-Ländern (und ihren Banken) gemeinschaftlich geholfen wurde. Angefangen von einzelnen Rettungspaketen in Form von Krediten und Bürgschaften für Griechenland bis hin zum neu eingerichteten Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM (siehe oben, unter Fazilität).
    Sherpa Sherpas heißen die Einheimischen im Himalaya, die Bergsteigern helfen, weil sie sich in den Bergen gut auskennen und ihnen auch noch das Gepäck auf den Mount Everest tragen. Die politischen Sherpas sind wichtige Mitarbeiter der Regierungschefs, in Deutschland also des Kanzleramts, die für ihre Chefs die europäischen Gipfeltreffen vorbereiten. Eine Heidenarbeit, die viel Fachwissen und Verhandlungssicherheit voraussetzt. Verhandeln die europäischen Sherpas miteinander, ist das fast wie ein Minigipfel. Schließlich soll so viel wie möglich schon weggearbeitet sein, deshalb treffen sich vor Gipfeln schon die Fachminister. Wenn die Staats- und Regierungschefs am Ende zusammenkommen, soll es nur noch eine überschaubare Zahl von strittigen Punkten geben, sonst gäbe es nicht nur eine lange Nacht, sondern gleich einen langen Monat. Manchmal müssen die Sherpas auch auf unpolitische Kleinigkeiten achten. Der Sherpa von Helmut Kohl zum Beispiel hatte dafür zu sorgen, dass am großen Konferenztisch, um den alle Teilnehmer bei solchen Gipfeln sitzen, der Stuhl für Herrn Kohl breit genug war, damit er mit seiner Körperfülle bequem hineinpasste und sich nicht peinlich reinquetschen musste – was womöglich von irgendwelchen Fernsehleuten auch noch gefilmt worden wäre.
    Systemrelevant Banken oder Staaten werden als systemrelevant bezeichnet, wenn man befürchtet, dass ihr Bankrott so viele andere mit in den Abgrund reißt, dass eine unbeherrschbare Krisensituation entsteht. Wie bei Dominosteinen: Fällt der eine, fallen alle. Eine Variante davon ist der

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