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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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föderal, aber mit einer echten Regierung und eigenen Steuern, im Grunde wie die Bundesregierung. Eine abgeschwächte Form der Fiskalunion würde nur einen bestimmten Steuerbetrag automatisch nach Brüssel abführen, zum Beispiel 10 Prozent des nationalen Steueraufkommens. Damit könnten schwächere Länder unterstützt werden. Gleichzeitig hätte Brüssel mehr Rechte, in die nationalen Haushalte einzugreifen, zum Beispiel das von einem Land vorgelegte Budget abzulehnen. Ansatzweise ist das bereits im »Fiskalpakt« vorgesehen, auf den sich 25 der damals noch 27 Mitgliedsländer im Dezember 2011 geeinigt haben. Darin verpflichten sie sich, ausgeglichene Haushalte anzustreben. Wer dagegen verstößt, soll automatisch bestraft werden.
    Gipfel Treffen der Staats- und Regierungschefs, der jeweils mächtigsten Politiker also (das sind die Kanzler, Premierminister oder Ministerpräsidenten, also die Regierungschefs; in Frankreich ist es der Staatspräsident, also der Staatschef). Man sagt auch, dass es Treffen »auf höchster Ebene« sind, daher der Vergleich mit Bergen.
    Haircut Hat natürlich nichts mit Friseur zu tun, sondern ist der englische Begriff für »Schuldenschnitt«. Heißt vereinfacht gesagt, dass einem Land ein Teil seiner Schulden erlassen wird, damit es eine Chance hat, wieder auf die Beine zu kommen.
    Kopenhagener Kriterien Die EU liebt es, wichtige Regelwerke und Entscheidungen nicht nach ihren Inhalten zu benennen, sondern nach dem Ort, an dem sie auf Gipfeltreffen verabschiedet wurden: Römische Verträge, Amsterdamer Vertrag, Schengener Abkommen usw. Die Kopenhagener Kriterien bestimmen, wer überhaupt Mitglied in der EU werden darf. Vor einem Beitritt muss das Bewerberland tausende europäische Vorschriften in nationales Recht umsetzen, den sogenannten Acquis communautaire. Außerdem muss der Bewerber belegen, dass er hinreichend demokratisch und hinreichend marktwirtschaftlich ist und im Übrigen die anderen Mitglieder mit seinem Beitritt nicht überfordert, also nicht zu viele Probleme in die EU hineinträgt und überhaupt europäisch genug ist (darüber wird ja in Bezug auf den Beitrittswunsch der Türkei debattiert).
    Lange Nächte Bei fast jedem Gipfeltreffen, bei dem es um schwierige Entscheidungen geht und Kompromisse gefunden werden müssen, gibt es mindestens eine lange Nacht. Da wird nicht gefeiert, sondern die Staats- und Regierungschefs verhandeln bis in die frühen Morgenstunden miteinander, während draußen vor der Tür die Journalisten warten. Dabei geht es drinnen hoch her. Legendäre Schreiereien hat es da durchaus schon gegeben. Diese langen Nächte sind brutal, man braucht Sitzfleisch, eine stabile Blase und viel gute Berater, die vor den Türen eifrig Zettel schreiben und entgegennehmen, um ihre Politiker zu briefen (»Achtung, Falle – die Spanier bluffen«/ »Nein, auf keinen Fall dürfen wir bei Punkt 23b zustimmen«). Irgendwann in den frühen Morgenstunden kommen die Politiker völlig übermüdet herausgetorkelt. Letztlich geht es dabei um zweierlei: Zum einen sind diese langen Nächte ein Kräftemessen – wer hält am längsten durch? Man kann seine Gegner auch müde verhandeln! Zum anderen ist das Ganze auch ein Ritual fürs Volk: Die jeweils eigene Bevölkerung soll das Gefühl haben, ihr Regierungschef hätte wirklich alles gegeben und knallhart im Interesse seines Landes verhandelt. Was er dann auch tatsächlich getan hat, bis hin zur totalen körperlichen Erschöpfung.
    Lissabon Ist natürlich die Hauptstadt von Portugal. Im Euro- ABC ist damit aber der Vertrag von Lissabon aus dem Jahr 2007 gemeint – und die ganzen Reformbemühungen, die darin festgehalten wurden. »Lissabon« ist sozusagen zum Ersatzbegriff für »neue Verfassung für Europa« geworden.
    Maastricht-Kriterien In der niederländischen Stadt Maastricht haben die EU -Länder 1992 nach einer langen Gipfelnacht einen Vertrag geschlossen, in dem sie festlegten, wie sie es künftig mit dem Geld halten. Ursprünglich waren die Maastricht-Kriterien nur zur Vorbereitung auf den Euro gedacht; Länder mussten sie erfüllen, um überhaupt mitmachen zu dürfen. 1996 wurden sie auch in den »Stabilitäts- und Wachstumspakt« aufgenommen, der für alle Euro-Länder nach Einführung der gemeinsamen Währung gilt. Schon damals, lange vor der Schuldenkrise, war also allen Beteiligten klar, dass es schlecht wäre, wenn die einen brav sparsam sind und ordentlich haushalten, während die anderen die Kohle raushauen –

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