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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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unglücklich. Unschön ist auch, dass einzelne Gruppen die gesamte Bewegung in Verruf bringen, weil sie sich bei internationalen Gipfeltreffen regelmäßig Straßenschlachten mit der Polizei liefern. Die Globalisierungsgegner mit Steinewerfern und Spinnern gleichzusetzen, wäre allerdings so, als würde man Fußballfans mit Hooligans verwechseln. Globalisierungskritiker sind Menschen, denen es nicht gleichgültig ist, dass wir mit gutem Gewissen die Segnungen der sozialen Marktwirtschaft genießen, während anderswo asoziale Verhältnisse herrschen, von denen wir wiederum profitieren.
    Auch wenn man sich der manchmal diffus formulierten und teils radikalen Kapitalismuskritik mancher Anti-Globalisierungsgruppen nicht anschließen mag, legt diese Bewegung doch den Finger in die richtige Wunde. Diese Wunde zu schließen, ist allerdings schwer, und über die richtigen Heilmittel kann man streiten. Über die Finanzmarktsteuer zum Beispiel, wie Attac sie propagiert, gehen die Meinungen auseinander. Dieser Steuervorschlag wurde schon in den siebziger Jahren von dem US -Wissenschaftler James Tobin entwickelt. Die Idee ist bestechend: Auf jede Transaktion am Finanzmarkt, zum Beispiel Kauf- oder Verkauf eines Wertpapiers oder einer Währung, wird eine Steuer erhoben. Im Prinzip wie die Mehrwertsteuer für Waren und Dienstleistungen. Damit, so die Hoffnung, würden sich die Börsengeschäfte »verlangsamen« (und vernünftiger werden), weil hektisches Hin- und Herverkaufen jedes Mal kostet. Außerdem fiele auf hohe Spekulationsgewinne eine hohe Steuer an, so hätten dann wenigstens auch die Staaten und ihre Bürger etwas davon. Während diese Idee lange Zeit als »linke Anti-Marktwirtschafts-Politik« links liegen gelassen wurde, wird sie inzwischen auch von vielen Regierungen für gut gehalten. Die EU -Kommission hat einen entsprechenden Vorschlag ausgearbeitet, Länder wie Deutschland und Frankreich sind dafür. Großbritannien allerdings nicht, es fürchtet um seinen Finanzplatz in London.
    Und genau hier liegt das Hauptargument gegen eine solche Finanztransaktionssteuer: Wenn sie nicht global erhoben wird, haben die Händler an den Finanzmärkten reichlich Ausweichmöglichkeiten. Dann handelt man eben nicht mehr über die Frankfurter oder Londoner Börse, sondern geht nach Singapur. Oder nach New York – die USA lehnen eine solche Steuer nämlich ebenfalls entschieden ab.
    Cashew aus Mosambik und Rosen aus Äthiopien
    Immerhin: Die Globalisierungskritik verhallt nicht gänzlich ungehört. Auch nicht die Kritik von klugen Köpfen wie Stiglitz an der Kreditpolitik der Weltfinanzinstitutionen. Sogar beim IWF dämmert es inzwischen manchen, dass in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden. Zum Beispiel Anfang der 1990er Jahre im afrikanischen Mosambik. IWF und Weltbank als Kreditgeber des hochverschuldeten Landes verlangten, dass Mosambik den Export seiner Cashewnüsse komplett freigibt. Bis dahin hatte es für die Nüsse strenge Ausfuhrbeschränkungen gegeben, was natürlich nicht zum Marktliberalismus passte, den der IWF als besten Weg zu mehr Entwicklung sieht. Das Problem war, dass Mosambik die Nüsse nicht nur in großem Stil anpflanzte, sondern auch in eigenen Produktionsstätten weiterverarbeitete. Als der Export quasi über Nacht freigegeben war, wurden die rohen Cashewnüsse auf den Weltmärkten gierig aufgekauft. Für die verarbeitende Industrie in Mosambik erwies sich das aber als Katastrophe. Die Betriebe konnten nicht mit Cashew-Fabriken in Indien konkurrieren. Dort wurden die mosambikanischen Nüsse viel billiger verarbeitet.
    Außerdem wurden die indischen Cashew-Betriebe staatlich subventioniert, während die mosambikanischen Firmen gerade erst vollständig privatisiert worden waren. Ein ganzer Industriezweig, der wichtigste des Landes, brach zusammen. Die Verluste, die damit entstanden, insbesondere die Verluste an Arbeitsplätzen, wurden durch die etwas höheren Einkünfte der mosambikanischen Cashew-Bauern nicht ausgeglichen. Die radikale Freigabe war zwar marktwirtschaftlich gedacht, hatte für das Land aber schlimme Folgen. Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass das kriegszerstörte Mosambik besser hohe Mauern um sich gezogen und weiterhin sozialistische Planwirtschaft betrieben hätte. Aber es war falsch, Mosambik die Liberalisierung so radikal und schnell von außen aufzuzwingen, ohne die Folgen und Nebenwirkungen einzelner Maßnahmen zu bedenken.
    Sich dem Weltmarkt komplett zu öffnen, ist für

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