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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Nebenwirkungen haben. In europäischen Bioläden beispielsweise sind indische »Waschnüsse« in Mode gekommen. Das sind Nüsse, die man statt Waschpulver benutzen kann. Die Wäsche wird damit (angeblich) genauso sauber wie mit Persil & Co, aber ganz natürlich und ohne Chemie. So weit so gut. Problem: Weil die umweltbewussten Europäer so viele Waschnüsse kaufen, sind sie in Indien knapp und deshalb teurer geworden. Arme indische Frauen haben jetzt Probleme, die Nüsse zu bezahlen, mit denen sie bislang billig ihre Wäsche wuschen. Überspitzt gesagt: In indischen Slums ist es jetzt schmutziger geworden, weil wir ökologisch sauber sein wollen.
    Ein ähnliches Problem gab es beim sogenannten »Inka-Reis« Quinoa. Die kleinen Körnchen sind einfach anzubauen und sehr gesund. Die NASA verkündete sogar, das »neue Getreide« (das biologisch übrigens gar kein Getreide ist) eigne sich bestens für die Ernährung auf Raumstationen oder in Space-Kolonien. Begeistert begannen Nordamerikaner und Europäer, Quinoa zu kaufen – anfangs teuer im Reformhaus, und auch in der Hoffnung, dass die Quinoa-Bauern daran verdienen. Gesundes essen und dabei auch noch Gutes tun – wer will das nicht! Doch was geschah? Der Weltmarktpreis stieg. Gut für die Quinoa-Farmer! Aber schlecht für deren direkte Nachbarn – im armen Bolivien oder Peru konnten sich die Menschen nun keinen gesunden »Inka-Reis« mehr leisten, sondern mussten auf billigere Industrie-Lebensmittel ausweichen. Inzwischen ist der Inka-Reis dort sogar teurer als Hühnchen. So unerwartet und widersprüchlich können die Folgen eines gut gemeinten Trends sein.
    Es ist im Übrigen auch nicht leicht, weltweit Qualitätsstandards zu überprüfen und aufrechtzuerhalten. So ist zum Beispiel aus China Kinderspielzeug nach Europa geraten, in dem gesundheitsgefährdende Schadstoffe verarbeitet waren. Und ebenfalls in China kam es 2008 zu einem weiteren gefährlichen Skandal. Dort wurde ein Stoff namens »Melamin« ins Milchpulver gemischt. Vorteil für den Hersteller: Das Zeug täuscht einen höheren Eiweißgehalt vor – das Milchpulver kann somit teurer verkauft werden. Allerdings handelt es sich bei Melamin um ein Nervengift. Binnen Kurzem landeten knapp 300000 Kleinkinder mit Vergiftungserscheinungen im Krankenhaus, einige starben, die übrigen erlitten Nierenschäden.
    Nun könnte man hartherzig sagen: Pech für die Chinesen. Aber die Konsequenzen reichen bis nach Europa und sogar bis nach Deutschland. Betroffen war nämlich auch der Schweizer Konzern Nestlé. In Hongkong wurden in einem Nestlé-Milchprodukt ebenfalls geringe Rückstände des Giftes gefunden. Das war zwar kein Babyprodukt, sondern Milch für Erwachsene, und die Melamin-Spuren waren so minimal, dass sie niemanden gefährden konnten. Trotzdem war die Sache erst mal schlecht fürs Nestlé-Image – und zwar weltweit, da die Firma ja global auftritt. Globale Firmen bekommen eben sofort auch ein globales Imageproblem, selbst wenn es nur um Milch in Hongkong geht. Noch näher an zu Hause waren die chinesischen Milchbonbons, die eine niederländische Firma in einen Asia-Shop nach Baden-Württemberg importierte: Auch sie enthielten Melamin.
    Glücklicherweise kam es dadurch nicht zu Vergiftungen – aber theoretisch hätte auch ein Stuttgarter Schulkind aufgrund der Profitgier eines chinesischen Milchpulverfabrikanten krank werden können.
    Wenn die Frikadelle wiehert
    Nun ist es natürlich nicht so, als seien es nur die Chinesen, die voller Gier jede Moral und Vorsicht vergessen. Bereits 1985 mischten österreichische Winzer das Frostschutzmittel Glykol in ihre Weine, um sie süßer schmecken zu lassen. In Deutschland wurde 2006 tonnenweise Gammelfleisch neu verpackt und verkauft oder zu Dönern verbraten. 2008 kam heraus, dass italienische Firmen einen »höllischen Cocktail« anrührten, der als »Frankenstein-Wein« bekannt wurde: Salzsäure und krebserregende Düngemittel wurden mit Traubensaft gemischt, was die Herstellungskosten um satte 90 Prozent senkte. 2013 lauteten die Schlagzeilen: »Geiz isst Gaul« – in Tiefkühlhack war Pferdefleisch untergemischt worden. Das war zwar nicht gesundheitsgefährdend, aber trotzdem dreister Betrug. Eines zeigen die Beispiele auf alle Fälle deutlich: Freie Märkte sind gut und schön und bringen große Produktvielfalt aus aller Welt – doch ohne strenge Kontrollen und Strafen geht es nicht. 2009 wurden drei der Chinesen, die für das Melamin in der Babynahrung

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