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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Entwicklungsländer nicht immer die richtige Strategie. Etwas Abschottung und eine vorsichtige, gelenkte Entwicklung können besser funktionieren, auch wenn das nicht der reinen marktwirtschaftlichen Lehre entspricht. Aber mit »reinen Lehren« ist das ja eh so eine Sache …
    Zu welchen Ungerechtigkeiten der Welthandel führen kann, zeigt sich etwa auch bei der industriellen Fischwirtschaft: Wir freuen uns in Europa darüber, billige Fischstäbchen und Fish-Burger zu essen. So preisgünstig ist Fisch bei uns aber nur, weil er massenhaft von riesigen Schiffen gefangen wird. Diese Überfischung führt dazu, dass viele afrikanische Fischer kaum noch Fisch in der Nähe ihrer Küsten finden. Viele Senegalesen zum Beispiel sind aus langer Tradition sehr gute Seeleute, hervorragende Segler. Aber als Fischer können sie ihre Familien kaum noch ernähren. Und was tun die Seeleute aus Senegal? Sie besteigen ihre Schiffe und versuchen, nach Europa zu fliehen. Den Fischstäbchen hinterher, sozusagen.
    Ein anderes Thema, auf das Globalisierungskritiker hinweisen, ist das »Landgrabbing« in großen Teilen Afrikas. Großkonzerne kaufen riesige Ländereien, zum Beispiel, um Biosprit anzubauen (mit dem wir dann unsere schadstoffarmen Autos fahren). Einheimische Kleinbauern werden dabei häufig brutal vertrieben.
    Andererseits bieten diese Agrargroßbetriebe auch Arbeitsplätze, meist allerdings zu Hungerlöhnen. In Äthiopien habe ich aber auch beobachten können, dass dort inzwischen viele ausländische Agrarkonzerne Rosen anbauen (jene preiswerten Rosen, die bei uns zum Muttertag verkauft werden) und sich damit gegenseitig Konkurrenz machen; deshalb müssen sie den Arbeitern mittlerweile bessere Löhne bieten, um genügend Arbeitskräfte zu bekommen.
    Wohin diese Entwicklung führt, lässt sich schwer abschätzen. Aber mir klingt noch die Aussage eines indischen Großinvestors in den Ohren: »Was ist besser? Hier zu investieren – oder einmal im Jahr zu Weihnachten einen barmherzigen Zwanzig-Dollar-Scheck auszustellen, weil man mal wieder eine Spendengala mit hungrigen Afrikanern gesehen hat?« Interessanterweise sind es vor allem Inder und Chinesen, die auf dem afrikanischen Kontinent als Geschäftsleute unterwegs sind; sie bauen Straßen, schließen Rohstoffverträge ab und sichern sich den Zugriff auf Afrikas Bodenschätze. Chinesische Staatskonzerne sind ganz vorne mit dabei. Sie sind sozusagen die neuen »Kolonialherren«. Ob sie die Entwicklung Afrikas vorantreiben oder den Kontinent nur ausbeuten, wird sich zeigen. Skeptiker werden Letzteres befürchten. Großdemonstrationen deutscher Globalisierungsgegner vor der chinesischen Botschaft in Berlin hat man allerdings noch keine gesehen.
    Ist die Welt ärmer oder reicher geworden?
    Globalisierungsbefürworter weisen darauf hin, dass das weltweite Bruttoeinkommen in den letzten zwanzig Jahren nicht gesunken, sondern stark gestiegen ist. Nun sind solche Vergleiche immer mit großer Vorsicht zu genießen. Das »Welteinkommen « kann auch wachsen, weil nur einige wenige viel reicher geworden sind. Dann ist das Durchschnittseinkommen insgesamt zwar gestiegen, aber die Kluft zwischen Arm und Reich zugleich noch größer geworden.
    Aufschlussreicher ist da ein Vergleich der Weltbank. Sie hat die internationale Armutsgrenze herangezogen, die bei 1,25 Dollar Kaufkraft pro Tag liegt. Wer mit weniger auskommen muss, gilt im internationalen Maßstab als »extrem arm«. Die Anzahl dieser Menschen ist in den letzten dreißig Jahren zurückgegangen. Anfang der Achtziger waren knapp zwei Milliarden Menschen extrem arm, heute sind es etwa 1,3 Milliarden. Zugleich ist in diesem Zeitraum die Weltbevölkerung gewaltig gewachsen. Es sind Massen von Menschen hinzugekommen, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, wo die Geburtenraten hoch sind. Trotzdem ist die Zahl der Armen gesunken. 1981 lebten noch über 50 Prozent der Weltbevölkerung in extremer Armut, inzwischen sind es »nur« noch rund 20 Prozent.
    Das muss uns jetzt aber wahrlich nicht froh stimmen, denn schließlich leben immer noch über eine Milliarde Menschen in nackter Not. Außerdem ist die Zahl der etwas weniger Armen, die 1,5 oder zwei Dollar haben, nicht gesunken, sondern gestiegen. Da sieht das Bild schon gleich anders aus! Dabei lassen sich Trends erkennen: Asien hat sich viel besser entwickelt als Afrika. Dass der weltweite Anteil der extrem Armen abgenommen hat, liegt vor allem daran, dass das riesige China so

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