Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
rasant vorangekommen ist. Aber auch in vielen südostasiatischen Ländern stieg der Lebensstandard. Das spricht prinzipiell dafür, dass Handel, Eigeninitiative und Wirtschaftsreformen bei gleichzeitig langsamer und vorsichtiger Öffnung nach außen keine ganz schlechten Maßnahmen sind.
Erste, Zweite, Dritte Welt
Es ist interessant, die Einkommen in Deutschland ins Verhältnis zum Rest der Welt zu setzen. In Deutschland hat ein Privathaushalt (in dem mehrere Menschen leben können) durchschnittlich 2700 Euro netto monatlich zur Verfügung. Im weltweiten Maßstab belegt man damit einen Spitzenplatz und gehört zu dem 1 Prozent der Reichsten. Solche Vergleiche »hinken« zwar immer, etwa weil die unterschiedliche Kaufkraft nicht ausreichend berücksichtigt wird – aber sie machen dennoch konkret greifbar, wie extrem unterschiedlich die Lebensverhältnisse auf unserem Globus sind.
Lange Zeit gab es die Einteilung in »Erste, Zweite und Dritte Welt«. Die Begriffe entstanden zu Zeiten des Kalten Krieges und bezogen sich ursprünglich gar nicht auf Reichtum, sondern auf Blockzugehörigkeiten. Zur »Ersten Welt« gehörten die im westlichen Bündnis zusammengeschlossenen, marktwirtschaftlichen Industrieländer, also USA , Kanada, Westeuropa. Zur »Zweiten Welt« zählten die sozialistischen Staaten des Ostblocks – dieser Begriff hat sich also erledigt. Die »Dritte Welt« war ursprünglich der nicht zu Ostblock oder NATO gehörende dritte »Block« aus afrikanischen und asiatischen Staaten. Da dies zugleich überwiegend arme Länder waren, wurde der Begriff »Dritte Welt« auch zu einem Synonym für Entwicklungsländer.
Heute spricht man weniger von Erster oder Dritter Welt, sondern von Industrieländern, Entwicklungsländern und Schwellenländern, die gewissermaßen »dazwischen« liegen. Länder wie Brasilien, Südafrika, Thailand oder Indien. Auch China wird noch als Schwellenland bezeichnet – allerdings eines, das schon mit breiter Schulter im Türrahmen steht. Russland wurde Ende der neunziger Jahre im Club der G8 aufgenommen, der Gruppe der acht führenden Industrienationen der Welt. Ursprünglich waren es nur die G7: USA , Deutschland, Japan, Großbritannien, Kanada, Frankreich, Italien. Man traf sich seit den siebziger Jahren zu informellen Gesprächen, die nicht zu konkreten Verträgen führen sollten, sondern dazu dienten, sich im kleinen Kreis über aktuelle Wirtschaftsthemen auszutauschen und abzustimmen, insbesondere über währungspolitische Fragen. Mittlerweile sind daraus jährliche Weltwirtschaftsgipfel geworden, die mit intimen Kaminrunden nur noch wenig zu tun haben und sich häufig mit aktuellen weltpolitischen Themen statt mit reinen Wirtschaftsfragen beschäftigen.
Ob die G8 in ihrer Zusammensetzung heute tatsächlich noch die größten Volkswirtschaften der Welt repräsentieren, lässt sich außerdem in Frage stellen. Eigentlich müssten dann auch China, Brasilien und Indien mit am Tisch sitzen. Und warum eigentlich nur Italien und nicht auch Spanien? Die EU als gesamteuropäische Vertretung hat inzwischen immerhin eine Art »Beisitz« bei den G8-Gipfeln. Letztlich ist das eine historisch gewachsene Gruppe, in der sich die größten der hochentwickelten und hochindustrialisierten Länder zusammengeschlossen haben. Die First Class der Ersten Welt sozusagen.
Warum sind die Afrikaner am ärmsten dran?
Wenn die G8 die First Class der Ersten Welt sind, dann sind die Afrikaner, um im Bild zu bleiben, noch nicht mal in die Holzklasse eingestiegen. Wobei mit »Afrika« vor allem Subsahara-Afrika gemeint ist, also jener Teil des Kontinents, der früher mit dem (rassistischen) Begriff »Schwarzafrika« bezeichnet wurde. Es gibt einige wenige Ausnahmen; die Republik Südafrika zum Beispiel steht besser da, aber insgesamt ist es erschütternd zu sehen, dass sich die Ärmsten der Armen nach wie vor in Afrika ballen. Von Entwicklungsschüben wie in Asien und Süd- und Mittelamerika ist der Kontinent noch weit entfernt; keines der Länder dort hat eine Wirtschaftskraft erlangt, die es zum »Player« auf globaler Bühne befähigen würde. Die meisten Hungerländer liegen nach wie vor in Afrika.
Dafür gibt es leider zahlreiche Ursachen, die entsprechend schwer zu bekämpfen sind. Zuallererst sind natürlich die nachhaltigen Verwüstungen zu nennen, die die lange Kolonialzeit auf dem Kontinent hinterlassen hat: die massive Ausbeutung von Menschen und Böden und künstliche Grenzziehungen, ohne
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