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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Rücksicht auf ethnische Zugehörigkeiten und Stammesgebiete, die es bis heute schwer machen, nationale Zivilgesellschaften zu entwickeln.
    Man kann natürlich auch noch weiter zurückgehen in die Menschheitsgeschichte und die Frage stellen, warum die Afrikaner schon vor Jahrhunderten so »unterentwickelt« waren, als die europäischen und amerikanischen Kolonialherren einfielen. Warum haben die Europäer Afrika erobert und nicht umgekehrt? Mit dieser hochinteressanten Frage hat sich der US -amerikanische Evolutionsbiologe Jared Diamond befasst. Er vertritt die These, dass ein wichtiges Hemmnis für die Entwicklung sesshafter, arbeitsteiliger Gesellschaften der Mangel an Nutzpflanzen und domestizierbaren Tieren gewesen sei 3 .
    Zu prähistorischen Zeiten fand sich in großen Teilen des afrikanischen Kontinents kein Tier, das sich für die Menschen als nützliches Haustier verwenden ließ. Beispiel: Anders als eurasische Esel und Pferde lassen sich afrikanische Zebras nicht zähmen. Den indischen Elefanten kann man dressieren, den afrikanischen nicht. Dieser klimatisch bedingte Mangel an nützlichen Tieren und anbaubaren Kulturpflanzen habe weitreichende Folgen gehabt. Wer kein Zugtier hat, kann auch keine Güter in großer Zahl über große Strecken transportieren und hat damit auch kaum Anreiz für die Erfindung des Rads. Tier- und Pflanzenwelt zwangen die Menschen zum Nomadentum. Ackerbau und Vorratsbildung sind aber Voraussetzung für den Übergang von der Jagd- zur Agrargesellschaft, die sesshaft wird und damit eine andere gesellschaftliche Entwicklung nimmt: Handel und Austausch mit anderen Siedlungen, die Entwicklung der Schrift, die Entwicklung berittener Armeen usw. usf. All das war für die Afrikaner von Anfang an schwerer, weil sie andere klimatische Bedingungen vorfanden als Europäer oder Asiaten.
    Nun mag der Blick zurück einiges erklären, er hilft aber nicht bei der Frage: Was nun?
    Afrika, mahnen Experten, hat nur dann eine echte Chance, wenn es seine Infrastruktur entwickelt, allen voran sein völlig unterentwickeltes Straßennetz sowie Flugverbindungen und Häfen. Daran hapert es bis heute gewaltig, was jeden Handelsverkehr hemmt. Am Aufbau solcher Strukturen waren die Kolonialmächte in den langen Jahren ihrer Regentschaft nie interessiert – geschweige denn am Aufbau demokratischer Institutionen. Und die afrikanischen Herrscher, die ihnen unmittelbar folgten oder von ihnen installiert wurden, zeigten dafür meist ebenfalls wenig Begeisterung. Viele führten das weiter, was die Kolonialherren so lange Zeit vorgemacht hatten: Eine absolute Herrschaft zu errichten, sich gegen innere und äußere Feinde zu verteidigen, das Volk ebenso paternalistisch wie willkürlich zu unterdrücken und die eigenen Pfründen zu sichern.
    Entsprechend gering ist oft die Erwartungshaltung der Regierten gegenüber den Regenten: Dass Regierungen einem »Gemeinwohl« zu dienen haben und danach beurteilt, kritisiert und kontrolliert werden, ist eine Vorstellung, die vielen Afrikanern und Afrikanerinnen fremd ist. Man erwartet »von oben« nicht viel Gutes und sieht zu, wie man alleine klarkommt. »Die Nation« ist oft kein Bezugspunkt, sondern ein Konstrukt, das mit den Lebenswelten und Bindungen der Menschen wenig zu tun hat. Was zählt, ist das Überleben der Familie, des Clans. Das sogenannte Nation Building ist in weiten Teilen Afrikas bis heute nicht gelungen.
    Aber angesichts dieser komplexen Probleme darf auch nicht vergessen werden, dass die meisten afrikanischen Staaten erst seit rund fünfzig Jahren unabhängig sind. Das ist keine lange Zeit, nach teils Jahrhunderten der Unterdrückung. Und auch die Brutalität der Konflikte, mit denen Afrika die Welt immer wieder erschüttert, ist sehr relativ, wenn wir uns die Grausamkeit ansehen, die sich vor nicht allzu langer Zeit in unserem eigenen Land abgespielt hat. Das Grauen ist weiß Gott keine afrikanische Spezialität. Ein »Herz der Finsternis« schlug auch im Europa des 20. Jahrhunderts. Und angesichts der Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien vor gerade mal fünfzehn Jahren darf man getrost vermuten, dass dieses Herz in unseren Breitengraden nach wie vor schlägt.
    Warum ist es so schwierig, in armen Ländern Gutes zu tun?
    Die vielschichtigen Probleme, mit denen sich die internationale Entwicklungshilfe gerade in Afrika konfrontiert sieht, sind schon lange zu einem hoch umstrittenen Thema geworden. Inzwischen melden sich selbstbewusste afrikanische

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