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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Wirtschaftswissenschaftler zu Wort, die den Industrieländern sogar provokant entgegenrufen: »Lasst uns endlich mit eurer Hilfe in Ruhe!«, wie zum Beispiel der junge kenianische Wirtschaftsexperte James Shikwati. Den Ländern, die am meisten Entwicklungshilfe-Gelder empfangen haben, gehe es besonders schlecht, klagt Shikwati. Ähnlich äußert sich der südafrikanische Wirtschaftswissenschaftler Themba Sono, der die »Politik der Sammelbüchse« kritisiert und Afrikaner als Opfer einer Hilfe sieht, die den Kontinent letztlich nur rekolonialisiere, weil Afrika »wie ein Baby« behandelt werde. Afrikanische Kritiker weisen darauf hin, wie sehr es das Geschäft schlechter Regierungen erleichtere, wenn sie sich darauf verlassen können, dass im Notfall Hilfe von außen kommt. So wie sich auch die Bevölkerung mancherorts regelrecht darauf spezialisiert habe, mit geeigneten Projekten (»Wir bauen einen Brunnen«) Entwicklungshilfe zu akquirieren. Die Hilfe werde damit zu einem eigenen Wirtschaftszweig, was ja nicht Sinn der Sache sein kann.
    Gerade in Äthiopien, bemängeln Kritiker, sei die Erwartungshaltung an »Hilfe von oben« beziehungsweise Hilfe von außen besonders hoch. Früher waren es Kaiser und Feudalherren, dann der marxistische Staat, heute ist es eben die internationale Hilfe.
    Umgekehrt, so das ernüchternde Fazit zahlreicher Beobachter, würden sich Entwicklungshilfe-Organisationen und -behörden auf den afrikanischen Hunger verlassen, der ihre eigenen Jobs sichere. Das ist natürlich harsche Kritik! Neben der Abhängigkeit, die in Empfängerländern entsteht, wenn sie sich auf Hilfe von außen zu sehr verlassen, wird vor allem die massive Korruption seitens einheimischer Regierungen und ihrer Bürokratien beklagt, in deren Kanälen Milliarden an Entwicklungsgeldern versickern. Oft versickern sie auch in den Taschen von Warlords, die Hilfstransporte nur gegen Wegzoll in Notstandsgebiete ziehen lassen. Kritisiert wird außerdem der Konkurrenzdruck der Hilfsorganisationen untereinander bei der Spendenakquise, sodass von einer regelrechten »Entwicklungshilfe-Industrie« die Rede ist. Und immer wieder wird auf die negativen, wenn nicht gar zerstörerischen Folgewirkungen manch gut gemeinter Aktionen und Projekte hingewiesen. Kaum ein Bereich der internationalen Politik ist jedenfalls so komplex wie die Entwicklungsökonomie. Schlicht gesagt: Gutes zu tun, ist verdammt schwer!
    Geschenke können mehr schaden als nutzen
    Zumal so manche Organisationen und Aktivisten unterwegs sind, deren Hilfeleistungen nicht professionell durchdacht sind. Manchmal sind es ganz einfache Zusammenhänge, die vor Augen führen können, welche Fehler gemacht wurden. Wer zum Beispiel Getreide oder die in Europa eher ungeliebten Hühnerflügel verschenkt, zerstört damit die einheimischen Märkte. Welcher afrikanische Kleinbauer kann mit dem »Preis« von Geschenken mithalten? Wer mit milden Gaben konkurrieren muss, für den lohnt sich das Geschäft schon bald nicht mehr. Anderes Beispiel: Schulen zu bauen, ist prinzipiell immer eine gute Idee – nur sollte man dann dafür Sorge tragen, dass es genügend ausgebildete Lehrer gibt, die dort unterrichten, und das nicht nur einen Sommer lang. Auch Traktoren zu schenken, mag zunächst eine willkommene Gabe sein – doch muss es dann vor Ort auch Menschen geben, die diese Traktoren reparieren können; sonst stehen sie irgendwann nur noch auf dürren Feldern herum und verrotten. Das sind plakativ einfache Beispiele, Zusammenhänge, die jeder professionell arbeitenden Hilfsorganisation wohl bewusst sind. Und doch sind solche »guten Gaben« bis heute leider keineswegs die Ausnahme. Vor allem bei akuten Katastrophen, wenn Hilfsbereite spontan anfangen zu sammeln. Nach dem großen Tsunami 2004 in Südostasien etwa tauchten Helfer auf, die in diesen tropischen Gebieten allen Ernstes europäische Wintermäntel und Wollpullover verteilen wollten.
    Häufig sind es auch Prominente, die etwas tun wollen. Es gibt ja unendlich viele Bilder von westlichen Stars und Sternchen, umringt von afrikanischen Kindern. Das ist fast eine Art »Genrebild« geworden. Die ehrliche Anteilnahme möchte ich niemandem absprechen. Und Prominenz kann tatsächlich Aufmerksamkeit auf Notstände richten und damit hilfreich wirken. Für Hilfsorganisationen sind bekannte Gesichter als »Werbeträger« zur Spendenakquise geradezu unverzichtbar geworden. Doch gelegentlich kann man sich schon fragen, ob es allen Prominenten,

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