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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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die nach Afrika geflogen werden, tatsächlich nur darum geht, armen Menschen zu helfen, oder ob nicht auch genauso dem eigenen Image geholfen werden soll. Zumindest könnten sich prominente Protagonisten wohl die Mühe machen, die Ursachen der jeweils beklagten Not zu hinterfragen: Ist da tatsächlich nur eine Dürre vom Himmel gefallen? Oder ist die Katastrophe hausgemacht? Werden Helfer womöglich regelrecht manipuliert? Auch wenn man daraus nicht die Konsequenz ziehen mag, Hilfe einzustellen, kann man solche Zusammenhänge trotzdem benennen, statt sie stillschweigend zu übergehen. Sich gänzlich »unpolitisch« zu gerieren, nach dem Motto: »Von Politik verstehe ich nichts, ich will nur den einfachen Menschen helfen« – das ist dann doch etwas zu einfach.
    Wer Entwicklungshilfe leistet, muss sich also vielen schwierigen Fragen stellen. Dazu gehört auch die grundlegende Frage, ob man mit Entwicklungshilfe nicht nur Notleidenden helfen, sondern zugleich politischen Druck auf Regierungen ausüben kann. Kann man gute Regierungsführung und die Einhaltung von Menschenrechten mit Entwicklungshilfe »erkaufen«? Wenn man nach fünf Jahrzehnten internationaler Entwicklungshilfe zu dem Schluss kommt, dass man das nicht kann, muss man andererseits nach den Konsequenzen dieser Einsicht fragen. Soll man hungernde Menschen sich selbst überlassen, nur weil sie das Pech haben, von korrupten, brutalen Regierungen beherrscht zu werden, die alle Aufforderungen zu »good governance« (guter Regierungsführung) ignorieren? Oder soll man weiterhin den Menschen helfen, wohl wissend, dass damit auch Regimen und Kriegsherren geholfen wird, die diese Not mit verursachen? Und wie viel Einfluss haben westliche Geberländer heute überhaupt noch, angesichts neuer Investoren wie der Chinesen, die inzwischen praktisch überall in Afrika Geld investieren, ohne lästige Fragen nach Demokratie und Menschenrechten zu stellen?
    Zu viel Hilfe oder zu wenig?
    Schlussendlich wird der westlichen »Entwicklungshilfe-Industrie« vorgeworfen, dass all die Milliarden der letzten Jahrzehnte wenig gebracht hätten. Die Armut ist jedenfalls weiter gewachsen. Über die Gründe wird gestritten. Die einen meinen, dass nicht genug geholfen wurde. Verglichen mit den nationalen Budgets der Industrieländer sind die Etats für Entwicklungshilfe tatsächlich durchweg bescheiden. In Deutschland etwa macht die staatliche Entwicklungshilfe gerade mal 0,4 Prozent des Bruttonationaleinkommens aus. Die These, dass vom Guten zu wenig getan wird, halten andere für eine Mär. Richard Dowden etwa, britischer Journalist und Direktor der Royal African Society, sagt, dass allein Afrika in den letzten fünfzig Jahren etwa eine Billion Dollar Hilfsgelder erhalten habe, und vergleicht das mit dem US -Marshall-Plan für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Marshall-Hilfe betrug damals 13 Milliarden Dollar, aufs heutige Preisniveau umgerechnet entspricht das etwa 15 Milliarden Dollar. Doch obwohl Afrika deutlich mehr »Marschall-Hilfe« erhielt, habe das nicht geholfen. Wenn man sich allerdings ansieht, wie viele hunderte Milliarden heutzutage für finanzkrisengeschüttelte Banken oder einzelne Länder zur Verfügung gestellt werden (wenn auch nur als Bürgschaften), kommen einem die tausend Milliarden Afrikahilfe auch wieder nicht so viel vor.
    Wie sinnvoll solche Vergleiche überhaupt sind, sei dahingestellt. Auf jeden Fall aber ist der Anteil, den internationale Gelder in vielen afrikanischen Staatshaushalten ausmachen, sehr hoch, oft mehr als die Hälfte des nationalen Budgets. Insofern, sagen Kritiker, sei nicht zu wenig, sondern grundsätzlich falsch geholfen worden.
    Das wirft natürlich sofort die Frage auf: Was ist denn richtig, was ist falsch? »Hilfe zur Selbsthilfe« und »Nachhaltigkeit« sind hier zentrale Schlagworte – sie zu formulieren, ist allerdings bei Weitem einfacher, als sie umzusetzen. So wird immer wieder darauf hingewiesen, wie absurd es sei, afrikanischen Ländern einerseits Entwicklungsgelder zu überweisen, während man gleichzeitig die hoch subventionierten europäischen und US -amerikanischen Märkte gegen ihre landwirtschaftlichen Produkte abschottet. Dient Entwicklungshilfe also vor allem dazu, »unser« Gewissen zu beruhigen, während wir gleichzeitig sorgfältig auf unseren Vorteil achten, anstatt diesen Ländern tatsächlich Chancen zur Teilhabe an den globalen Handelsströmen einzuräumen? Doch warum ist es asiatischen Ländern gelungen,

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