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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Kofi Annan sogar erklärte, ein solcher Einmarsch ohne UN -Mandat sei »illegal«, da kochte die US -Regierung vor Wut. Präsident Bush zischte Kofi Annan an, dass die UNO »irrelevant« sei. Etwas Schlimmeres hätte er dem UN -Generalsekretär nicht an den Kopf werfen können. Inzwischen hat bei den USA aber wieder ein Umdenken begonnen. Washington besinnt sich darauf, dass man gemeinsam doch oft stärker ist und es von Vorteil sein kann, mit den anderen in der UNO zusammenzuarbeiten, statt die Weltorganisation zu ignorieren. Das wird die USA allerdings sicher nicht daran hindern, über kurz oder lang doch wieder darüber zu klagen, dass die UNO zu viel Geld von Amerika bekomme. Die anderen Staaten verhalten sich nicht viel anders: Ist die UNO den eigenen Interessen nützlich, wird sie geschätzt und gelobt, steht sie den eigenen Interessen entgegen, wird sie kritisiert und ignoriert.
    Von Generalversammlung bis UNICEF: Wie die UNO funktioniert
    Die Vereinten Nationen haben wie jede große Organisation zahlreiche Gremien, Abteilungen, Räte, Gruppen. Die wichtigsten Instanzen sind:
Der Sicherheitsrat, das mächtigste Gremium und das einzige, das über Krieg und Frieden entscheiden kann. Im Sicherheitsrat sitzen die Länder, die nach dem Zweiten Weltkrieg die größten und mächtigsten Länder der Welt waren und Atomwaffen hatten: USA , Russland (früher: Sowjetunion), China, England und Frankreich. Das sind die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats. Sie müssen alle fünf zustimmen, sonst kann der Rat keine Entscheidung treffen. Im UN -Jargon in New York nennt man sie die P5, die »permanenten Fünf«. Jedes dieser fünf Länder hat ein Vetorecht: Stimmt es nicht zu, ist der Vorschlag im Papierkorb. Es gibt außerdem noch zehn weitere Mitglieder des Sicherheitsrats, die wechseln aber regelmäßig und heißen deshalb »nichtständige« Mitglieder. Wirklich wichtig sind jedoch nur die ständigen Mitglieder, die fünf Großmächte also. Ohne oder gegen die P5 können weder wirtschaftliche Sanktionen verhängt noch Friedenssoldaten irgendwohin geschickt werden. Sie müssen sich also einig sein. Was sie nur sehr selten sind. Aber das ist nicht die Schuld der UNO , sondern spiegelt die Interessen und Machtverhältnisse in der Welt wider. Dafür, dass im Sicherheitsrat nur Frankreich und Großbritannien sitzen, anstatt EU oder zumindest Deutschland als mächtigem europäischem Staat, gibt es heute keine guten Gründen mehr. Diese Regelung stammt eben noch aus der Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als Frankreich und Großbritannien zu den »Siegermächten« gehörten. Und jetzt wollen sich Franzosen und Briten dieses Privileg natürlich nicht mehr wegnehmen lassen. Besser wäre es, wenn Europa einen gemeinsamen ständigen Sitz im Sicherheitsrat hätte. Doch dazu müssten die Europäer erst mal untereinander einiger sein – und davon sind sie im Moment noch weit entfernt. Gerade bei dieser Frage zeigt sich, dass die Welt (auch die europäische Welt) letztlich immer noch eine Welt der Nationalstaaten ist.
Die Generalversammlung , in der alle Staaten vertreten sind und jeder Staat eine Stimme hat. Der kleine Inselstaat Palau mit 20000 Einwohnern hat dort das gleiche Gewicht wie China mit 1,3 Milliarden Einwohnern. Jeder darf sich dort also gleich wichtig fühlen. Das klingt demokratisch und spricht für die Legitimität der Weltorganisation. Und in der Tat: Sitz und Stimme in der Generalversammlung sind es, die eine Mitgliedschaft in diesem größten Club der Welt sehr attraktiv machen. Mit dem tatsächlichen Spiel der Kräfte im internationalen System hat das aber wenig zu tun. Die Fidschi-Inseln mögen in der Generalversammlung ruhig genauso viel Gewicht haben wie die USA . Zu sagen haben die Fidschis in der UNO trotzdem nichts. Über die wirklich entscheidenden Dinge, nämlich Krieg oder Frieden, entscheiden die Großmächte im Sicherheitsrat. Muss man das beklagen? Nur wenn man ein sehr idealistisches Weltbild als Beurteilungsmaßstab anlegt. Dann kann man auch auf die Idee kommen, die UNO sollte eine Art Weltregierung sein, mit dem Generalsekretär als wohlmeinendem Präsidenten. Zu einer realistischen Einschätzung der friedenspolitischen Möglichkeiten und Grenzen der UNO wird man damit aber nicht kommen. Die Generalversammlung hält einmal im Jahr ein Treffen ab, bei dem alle Staatenführer große Reden schwingen können und sich so richtig die Meinung sagen dürfen, was ausgesprochen spannend sein

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