Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
kann die UNO helfen, Friedensverhandlungen zu führen, oder sogar in einen Krieg eingreifen. Deswegen ist die UNO einerseits sehr mächtig, andererseits aber nahezu machtlos. Sie ist ein Instrument, das die Mitgliedstaaten nutzen können, wenn sie wollen. Und sie ist eine moralische Instanz. Die Charta (Satzung) der Vereinten Nationen ist die wichtigste Quelle des Völkerrechts. Sie verbietet Angriffskriege und Menschenrechtsverletzungen (»Verbrechen gegen die Menschlichkeit«). Die UNO setzt sich ein für Frieden, gerechtere Verteilung von Reichtum, Klimaschutz und andere hehre Ziele. Und verkörpert dabei auch eine Form von Weltöffentlichkeit. Von der UNO angeprangert zu werden, ist für einen Staat zumindest nicht angenehm.
Vor allem aber ist die UNO die weltweit wichtigste »multilaterale« Organisation. Multilateral heißt wörtlich »vielseitig« (im Lateinischen ist latus die Seite) und bedeutet, dass mehrere Staaten kooperativ Diplomatie betreiben, also höflich und formell gleichberechtigt miteinander umgehen, selbst wenn ihnen gerade nicht danach zumute ist und auch wenn sie unterschiedlich mächtig sind. Als »bilateral« (»zweiseitig«) bezeichnet man Vereinbarungen zwischen nur zwei Staaten oder zum Beispiel einem Staat und einer Organisation (wie die Verträge zwischen Schweiz und EU ). »Unilateral« (»einseitig«) ist, wenn ein Staat ohne Rücksicht auf andere handelt.
Wenn es die Vereinten Nationen nicht schon gäbe, müsste man sie erfinden! Weil sie ein ständig verfügbares multilaterales Forum sind. Sie bieten eine diplomatische Arbeitsplattform, sie dienen als Frühwarnsystem (»Achtung, hier läuft was schief – es droht Krieg oder Hunger«), und sie bieten die größte Legitimation für friedenspolitische Einsätze, seien es Blauhelme, die den Frieden in einer Weltregion bewahren sollen, oder gar ein Kriegseinsatz im Namen der UNO . Mit einem »Mandat der Vereinten Nationen« ist ein solcher Einsatz ganz anders zu rechtfertigen, als wenn nur ein Staat oder einige wenige einen Militäreinsatz beschließen, ohne das von der Weltorganisation absegnen zu lassen.
Um den Frieden weltweit zu sichern, verfolgt die UNO mehrere Wege. Die wichtigsten sind:
das Lösen von auftretenden Konflikten auf diplomatischem Wege (statt durch Krieg);
vorbeugende Diplomatie, um Streitigkeiten gar nicht erst eskalieren zu lassen;
die Herstellung oder Sicherung von Frieden durch die UNO -Blauhelmtruppen (sie müssen von allen Beteiligten beauftragt werden und strikt neutral handeln);
das Erreichen besserer Lebensbedingungen weltweit, dazu gehört auch die Einhaltung der Menschenrechte, denen sich die UNO ausdrücklich verschreibt.
Die UNO unterscheidet sich deutlich von einer Organisation wie der Europäischen Union oder der NATO . Sie ist keine »überstaatliche« Organisation wie die EU , und sie ist auch kein enger militärischer Verbund wie die NATO , die einen Pakt geschlossen hat, in der alle Mitglieder automatisch für einen einstehen, sollte es einen Angriff von außen geben. Das Ausmaß der Selbstverpflichtung bei der UNO hält sich in Grenzen, und mit der Mitgliedschaft werden keine zentralen Souveränitätsrechte an eine höhere Ebene abgegeben.
Finanziert wird die UNO durch Beiträge der Mitgliedstaaten. Die ärmsten zahlen knapp 20000 Dollar im Jahr, die USA rund 500 Millionen. 47 Staaten leisten 99 Prozent der Beiträge; die drei größten Zahler sind die USA , Japan und Deutschland. Deutschland überwies im Jahr 2010 beispielsweise 170 Millionen Dollar Mitgliedsbeitrag, dazu kamen Gelder für angegliederte Organisationen und Programme. Am meisten aber zahlen die USA , offiziell über 20 Prozent des UN -Haushalts, wegen etlicher Sonderzahlungen sind es noch deutlich mehr. Das führt immer wieder zu Streit und Vorwürfen seitens amerikanischer Politiker. Wenn die USA von der UNO kritisiert werden, reagieren sie schnell beleidigt, nach dem Motto: »Wir zahlen euch doch nicht das viele Geld, damit ihr ausgerechnet uns anmeckert.«
Wie andere Großmächte sind aber auch die USA der Ansicht, dass die UNO nützlich sein kann, zum Beispiel um gemeinsam den Iran dafür zu bestrafen, dass er an einer eigenen Atombombe bastelt. Wenn die UNO hingegen aus Sicht der mächtigen USA nicht nützlich, sondern lästig ist, dann ist auch schnell Schluss mit der UNO -Sympathie. Als sich zum Beispiel die Mehrheit der UNO -Staaten gegen den Einmarsch der USA im Irak aussprach und der damalige UN -Generalsekretär
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