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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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und sie waren dabei auch immer wieder durchaus erfolgreich. Hilfreich ist es zum Beispiel, Blauhelme an einer Grenze zu postieren, damit sie ein Friedensabkommen überwachen. Sie können zwar nicht schießen und den Frieden erzwingen, wenn eine der Streitparteien das Abkommen bricht, aber die ganze Welt weiß dann davon – und weiß auch, wer das Abkommen gebrochen hat. Als neutrale »Puffer« sind die Blauhelme zum Beispiel schon seit 1974 auf den Golanhöhen zwischen Israel und Syrien stationiert. Beide Staaten haben dem zugestimmt und finden das durchaus hilfreich, auch wenn der Nahostkonflikt insgesamt damit in keiner Weise gelöst ist. Aber wie heißt es so schön? »Kleinvieh macht auch Mist.« Das gilt sogar in der internationalen Politik.
    Die Blauhelme können also einfach nur Beobachter sein und zum Beispiel überprüfen, ob eine Armee tatsächlich abzieht und Friedensabkommen eingehalten werden. Das ist das sogenannte Peace Keeping, also »Friedenserhaltung«. Wenn Blauhelmsoldaten selbst kämpfen, um Konfliktparteien gewaltsam zu trennen, nennt man das Peace Enforcement, also »Friedenerzwingung«. Das wurde erstmals im Kongo in den fünfziger Jahren praktiziert, dann in den Neunzigern in Somalia und auf dem Balkan. Außerdem hat der UNO -Sicherheitsrat einhellig friedenserzwingende Maßnahmen legitimiert beim irakisch-kuwaitischen Krieg 1990.
    Viele der in den neunziger Jahren neu formierten Blauhelm-Einsätze hatten sehr komplexe Aufgaben, die Polizeiarbeit mit einschlossen und bei denen der Übergang von Peace Keeping zu Peace Enforcement fließend ist. Leider gehen solche Peace Enforcements in der Praxis oft schief, weil es den Blauhelmen dann nicht mehr gelingt, als neutral und unparteiisch wahrgenommen zu werden. Ihr Eingreifen wird von der einen oder von allen Seiten als ungerecht empfunden, und sie geraten zwischen alle Fronten.
    Grundsätzlich kann die UNO nur handeln, wenn sich die Großmächte im Sicherheitsrat und die Mehrheit ihrer Mitglieder einig sind, und wenn auch genügend Länder bereit sind, dafür Geld auszugeben oder sogar das Leben eigener Soldaten zu riskieren. Man kann das gar nicht oft genug betonen. Den Vereinten Nationen geht es insofern ein bisschen wie einem Staat: Alle schimpfen auf die UNO und fragen sich dabei gar nicht, auf wen sie da eigentlich schimpfen. Wer ist denn »der Staat«? Alle Steuerzahler, alle Staatsbürger! Und wer sind »die Vereinten Nationen«? Alle Nationen dieser Welt. Oder, wie der ehemalige Generalsekretär Kofi Annan einmal sagte: »Ich habe bei allem, was ich tue, 192 Herren.«
    Der Sicherheitsrat: mächtiges Gremium mit Blümchentapete
    Übrigens sieht der berühmte Versammlungsraum des stolzen Weltsicherheitsrat in Wirklichkeit ziemlich altmodisch und renovierungsbedürftig aus, als sei da seit den fünfziger Jahren nicht mal die Tapete erneuert worden. Genau genommen hat der Wandbehang mit seinen bräunlichen Ornamenten den ästhetischen Charme einer Blümchentapete in Gelsenkirchen. Der Raum ist eher klein und muffig, wenig beeindruckend und ziemlich düster, mit verkratzten Holzbänken auf der Zuschauertribüne. Trotzdem war dieser Raum immer wieder Schauplatz aufregender Sitzungen, die in die Geschichtsbücher eingegangen sind. Denn es ist der Ort, an dem sich die Mächtigen der Welt an einem Tisch gegenübersitzen und sich gegebenenfalls auch erstaunlich direkt und undiplomatisch die Meinung sagen – was ungemütlich werden kann. Zum Beispiel 2003, als sich Amerika um die Zustimmung der UNO zum Irak-Krieg bemühte. Washington war es nämlich durchaus nicht egal, ob der Rest der Welt dafür oder dagegen war. Man wollte den Segen der UNO haben. So wie es zwölf Jahre zuvor gewesen war. 1990 war ja schon mal eine gemeinsame Truppe unter Führung der USA gegen den Irak in den Krieg gezogen, nachdem der irakische Diktator Saddam Hussein seinen kleinen Nachbarn Kuwait überfallen hatte. Damals war sich die Welt einig gewesen, dass es gut wäre, wenn die USA den Kuwaitern helfen und Saddam Hussein in seine Schranken weisen würden. Selbst Russland war damals dafür, und so stimmte der UNO -Sicherheitsrat dem Krieg zu. Doch nun hatte sich die Situation geändert. Die meisten Länder fanden zwar sehr wohl, dass der irakische Diktator Saddam Hussein ein übler Genosse war. Aber sie glaubten nicht, dass der Irak tatsächlich Atomwaffen hatte, und sie waren auch nicht der Ansicht, dass ein Krieg gegen Hussein die Welt sicherer machen würde. Colin

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