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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Erfahrung, die man zuletzt in den 1970er Jahren während des Vietnamkriegs gemacht hatte. Plötzlich stand wieder die Frage im Raum: Wer sind wir eigentlich, wofür stehen wir, warum hasst man uns so?
    Ein Traum wurde wahr
    Vor diesem Hintergrund war gerade bei der jüngeren Generation der Wunsch nach einem Neuanfang groß, als am 4. November 2008 Barack Obama gewählt wurde. Der erste schwarze Präsident der USA . Ein tiefer Einschnitt in der Geschichte dieses Landes.
    Viele Millionen Menschen hatten Tränen in den Augen, als Barack Obama nach seinem Wahlsieg vor seine jubelnden Anhänger trat. Er versprach, ein ganz neuer Typ Politiker zu sein. »Yes we can« – wir schaffen es – war sein Wahlkampfslogan gewesen, nun riefen die Massen: »Yes we did« – wir haben es geschafft! Tatsächlich hatte Obama schon zu diesem Zeitpunkt Ungeheuerliches erreicht: Es war gerade mal fünfzig Jahre her, dass der afroamerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King jene weltberühmte Rede hielt, in der er von seinem Traum sprach: »I have a dream«, rief er – »ich habe einen Traum, dass meine schwarzen Kinder eines Tages zusammen mit weißen Kinder werden spielen können!« Damals in Amerika noch undenkbar.
    Noch in den fünfziger Jahren mussten Afroamerikaner im Bus hinten einsteigen und ihren Platz frei machen, wenn Weiße kamen. Verliebte sich ein schwarzer Mann in eine weiße Frau, machte er sich strafbar. Die Zeit der Sklaverei war zwar vorbei, aber die der Rassendiskriminierung noch lange nicht – und das ist leider bis heute so, auch wenn Schwarz und Weiß vor dem Gesetz gleichgestellt sind. Wegen dieses unterschwelligen Rassismus waren viele skeptisch, ob es Obama tatsächlich gelingen würde, auch von genügend weißen Amerikanern gewählt zu werden. Gerade Afroamerikaner zweifelten daran, sie trauten ihren weißen Mitbürgern das nicht zu. Doch Obama hat es geschafft. Nun spielen schwarze Kinder im Garten des Weißen Hauses, und viele Afroamerikaner haben zum ersten Mal das Gefühl: Jetzt kann ich meinen Kindern sagen, dass auch sie alles erreichen können in diesem Land. In der Nacht seines Wahlsieges war zum Beispiel in den Straßen Harlems zu hören: »Erst heute sind die Ketten (der Sklaverei) wirklich gesprengt worden.« Mittlerweile hat Obama sogar seine zweite Präsidentenwahl gewonnen, 2012 bestätigte ihn das Volk in seinem Amt.
    Obama war nicht nur Hoffnungsträger der Afroamerikaner. Er war auch der Liebling der Jungwähler. Ein wichtiger Teil des Wahlkampfs fand im Internet statt. Viele Erstwähler sind nur seinetwegen überhaupt zur Wahl gegangen, ansonsten wären sie achselzuckend zu Hause geblieben. Doch Barack Obama hatte sie begeistert wie ein Popstar. Nicht nur die Amerikaner, die halbe Welt erhoffte sich von Obama, dass er die Wirtschaftskrise des hoch verschuldeten Landes in den Griff bekommt, die Sozialpolitik Amerikas radikal ändert, den Irak-Krieg auf kluge Weise beendet, den Afghanistan-Krieg gewinnt, den Terrorismus bekämpft, ohne sich dabei neue Feinde zu machen, den ewigen Nahost-Konflikt löst, die Welt insgesamt versöhnt, die Meinungen anderer Länder respektiert, den Klimaschutz maßgeblich vorantreibt usw. usf.
    Doch Obama ist kein Magier und keine Heilsgestalt; er kann nicht wie Jesus in der Bibel übers Wasser gehen (wie er selbst einmal anmerkte). Dass er all diese Erwartungen nicht erfüllt hat, ist nicht wirklich überraschend. Auch Obama, der brillante Rhetoriker, kam schnell in der Realpolitik an. Er bekam es mit der Weltfinanzkrise zu tun, mit der Arabellion und machtbewussten Chinesen. In der Innenpolitik verlor seine demokratische Partei die Mehrheit im Parlament, was seine Handlungsspielräume stark einschränkt.
    Die neue Außenpolitik Washingtons
    Den Europäern gegenüber verhält sich Obama eher kühl und sachlich, es gibt andere Weltregionen, die ihn strategisch viel mehr interessieren. Angesichts der Konkurrenz zum starken China blicken die USA nicht mehr nach Berlin, sondern auf den pazifisch-asiatischen Raum. Washington und Peking rüsten ihre Seestreitkräfte im Pazifik auf, im Südchinesischen Meer, durch das eine der weltweit wichtigsten Handelsrouten verläuft. Über sie werden Güter von Europa und dem Nahen Osten (Öl!) nicht nur nach Asien transportiert, sondern auch zur Westküste der USA .
    Obama ist zweifellos ein Präsident, der große politische Ambitionen hatte und einen ungewöhnlichen und in vieler Hinsicht sehr überzeugenden und sympathischen

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