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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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Großmächte ist, in dem die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs sitzen, ist vielen gar nicht bewusst. Der grundsätzlichen Sympathie für die UNO und ihren Generalsekretär tut das keinen Abbruch.
    In anderen Ländern wird diese deutsche Befindlichkeit schwer verstanden. Für einen Amerikaner gibt es kein Gremium, das eine höhere Legitimität (sprich: Rechtmäßigkeit) haben könnte als der US -Kongress. Und Franzosen oder Chinesen haben auch von jeher kein Problem damit, von »nationalen Interessen« zu sprechen und die Frage zu stellen: Was nutzt uns das? Was kostet uns das? Deutsche Außenpolitiker haben diese Fragen zwar auch immer gestellt. Alle bisherigen Außenminister waren Realpolitiker. Nur wird die Realpolitik in Deutschland anders kommuniziert. Und so erklärt es sich auch, dass in den USA seit Jahrzehnten mit Anti- UNO -Parolen Wahlkampf gemacht wird, während kein deutscher Politiker auf die Idee käme, auf Stimmenfang zu gehen, indem er gegen den Friedensnobelpreisträger Kofi Annan oder seinen Nachfolger Ban Ki Moon wettert.
    Tatsächlich gerät der UN -Generalsekretär immer wieder in die Kritik. So wird zum Beispiel schon bemängelt, wie die Kandidatenauswahl für das Amt des Generalsekretärs abläuft. Sie sei undemokratisch, und am Ende werde es immer nur ein »blasser Technokrat« als »Kompromisskandidat«. Bei der letzten Generalsekretärswahl gab es den Vorschlag, Bill Clinton zu nehmen, das wäre doch mal endlich ein echtes Kaliber! Dem kann man nur entgegenhalten: Nein, der amerikanische Ex-Präsident Bill Clinton wäre keine gute Wahl gewesen. In einer von den USA dominierten Organisation wäre er sogar völlig fehl am Platz. Um von allen anderen nicht als Interessenvertreter Amerikas wahrgenommen zu werden, müsste er derart auf Abstand zu der jeweiligen Regierung in Washington gehen, dass er praktisch zum Gegenspieler würde. Außerdem ist nicht jeder Amerikaner Bill-Clinton-Fan. Er wird dort auch als Parteipolitiker wahrgenommen. Ein Kompromisskandidat ist für die UNO viel geeigneter. Ein Mann oder eine Frau, gegen den/die zunächst niemand etwas einzuwenden hat, auch und erst recht nicht die mächtigen USA . Denn nur dann hat der Kandidat überhaupt eine Chance, sich zu entwickeln. Ärger mit Washington bekommt er über kurz oder lang von ganz alleine.
    Der »unmögliche Job« des UNO-Generalsekretärs
    Kofi Annan zum Beispiel war ursprünglich der Kandidat der Amerikaner, sie hatten seine Wahl stark betrieben. Der Mann aus Ghana wurde als »blasser Technokrat« und »Mann Amerikas« beschrieben. Jahre später galt Kofi Annan als einer der charismatischsten Generalsekretäre überhaupt. Hätte er sich 2006 allerdings um eine dritte Amtszeit bemüht, wäre er ausgerechnet am Veto seiner Ex-Freunde, der Amerikaner, gescheitert. Während des Irak-Kriegs gab es so scharf ausgetragene Konflikte zwischen ihm und der US -Regierung, dass man in Washington von Kofi die Nase gründlich voll hatte. So oder so ähnlich ist es bisher jedem Generalsekretär ergangen, wobei die jeweiligen Spielräume des Amtsinhabers künftig noch schwerer abzuschätzen sind als in der Vergangenheit.
    Zu Zeiten des Ost-West-Konflikts, in einem strikt »bipolaren« internationalen System, mit zwei Machtblöcken, musste er »nur« den Spagat zwischen Washington und Moskau schaffen. Das war schon schwer genug. Der allererste UN -Generalsekretär, der Norweger Trygve Lie, war daran komplett gescheitert. Er musste in seiner zweiten Amtszeit vorzeitig aufgeben, weil er gegen den Willen der Sowjetunion nicht mehr agieren konnte. Trygve Lie war es denn auch, der den berühmten Satz prägte, das Amt des Generalsekretärs sei ein »unmöglicher Job«. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts erlebte die UNO einen vorübergehenden Frühling, mit einem sprunghaften Anstieg von Friedensmissionen und Blauhelm-Einsätzen bis hin zum ersten Peace-Enforcement-Einsatz seit 1950, im irakisch-kuwaitischen Konflikt 1990. Plötzlich schien es möglich, dass nicht mehr nur UNO -Blauhelme als Puffer zwischen zwei sich streitenden Ländern stehen und Friedensabkommen überwachen, sondern dass die UNO selbst einen Krieg führt, weil eines seiner Mitgliedsländer (Irak) ein anderes überfallen hat (Kuwait). Es waren zwar nicht UNO -Blauhelme, die dann gegen irakische Soldaten zu Felde zogen, sondern vor allem amerikanische Truppen. Aber die UNO hatte zugestimmt. Weder die Chinesen noch die Russen hatten ein Veto eingelegt. Das weckte hohe

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