Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
mag sie abschaffen (das könnte zu diplomatischen Irritationen führen), und irgendwie haben sie ja auch einen gewissen Glamour-Effekt. Das Protokoll ist sozusagen die staatliche Benimm-Anleitung. Zum Beispiel: Wen begrüßt man zuerst, wenn Staatsgäste anwesend sind und man die Tischrede halten soll? Wer sitzt wo? Wer geht zuerst durch die Tür?
Am meisten Benimm ist bei Staatsbesuchen angesagt, egal, ob man selbst zu Gast ist oder Gäste empfängt. Da gibt es das meiste Brimborium und Trallala. »Staatsbesuche« heißt: Es kommt ein Präsident oder ein König. Daneben gibt es die offiziellen Regierungsbesuche. Weniger formell geht es bei Arbeitsbesuchen oder »informellen« Treffen zu. Bei einem informellen Treffen gibt es keine feste Tagesordnung, und es muss am Ende keine konkreten Beschlüsse geben. Man kann einfach miteinander reden, ohne dabei schon hart verhandeln zu müssen. Die Staatsleute geben sich insgesamt weniger förmlich, dafür wird meist umso mehr gegessen (und getrunken). So ganz ohne Protokoll geht es aber auch bei informellen Treffen nicht. Für die »informellen« Weltwirtschaftsgipfel wird beispielsweise die Kleiderordnung genau festgelegt, damit keiner zu gut oder zu schlecht dasteht. Dann steht höchst förmlich im Protokoll: »(Sport-)Sakko, keine Krawatte, kein Anzug.« Die legere Kleidung soll für eine lockere Atmosphäre sorgen. Diese Lockerheit wird aber präzise angemeldet.
Generell muss man im Umgang mit Diplomaten und Staatsoberhäuptern darauf achten, dass manche sonst üblichen Höflichkeitsformen nicht gelten. Vermeintlich gutes Benehmen kann sogar ganz falsch sein. Als Gast in einer Botschaft reicht man zum Beispiel bei der Begrüßung nicht zuerst der Ehefrau des Botschafters die Hand, was man bei einem normalen Ehepaar höflicherweise tun würde (»Frau vor Mann, Alter vor Jugend« ist ja normalerweise die Regel). Nicht so bei Botschaftern oder Bundespräsidenten. In dem Fall muss man zuerst dem Amtsträger die Ehre erweisen, also erst dem Bundespräsidenten oder Botschafter, dann der Ehefrau. Ganz schwierig wird es, wenn man bei der Queen eingeladen ist. Dort gilt: Einfach mal die Klappe halten! Denn man spricht die englische Königin nicht an, sondern wartet, bis man von ihr angesprochen wird. Und man reicht ihr auch nicht einfach die Hand, sondern wartet brav ab, ob sie das tut. Denn man fasst eine Queen nicht ungefragt an! Auch die spanische Königin möchte nicht berührt werden – bei so was sind die gekrönten Häupter eigen. Insofern: Fröhliches Schulterklopfen oder »Bussi-Bussi« bei Diplomaten und Royals unbedingt vermeiden.
Meist findet zu Ehren eines Staatsgastes ein festliches Essen (»Bankett«) statt. Hier kommt es nicht nur darauf an, mit Messer und Gabel umgehen zu können und richtig gekleidet zu sein. Sondern man muss auch wissen, wie man hohe Gäste korrekt anredet (zum Beispiel »Guten Abend, Exzellenz, sehr erfreut«) und welche Höflichkeitsregeln in der Tischkonversation gelten. Etwa wie lange man sich mit dem Tischnachbarn zur Rechten unterhält, bevor man zum Tischnachbarn zur Linken wechselt. Sehr heikel ist auch die Tischordnung, also wer neben wem sitzt. Das ist ja schon bei jedem privaten Hochzeitsfest schwierig genug … Es gibt natürlich Regeln, welche höchsten Ehrengäste wo sitzen, aber der Rest braucht Fingerspitzengefühl, damit die einander fremden Leute einigermaßen zusammenpassen. Kann man alles überflüssig und veraltet finden – es sind aber jahrhundertealte Traditionen, und manchmal helfen all diese Regeln auch, Form und Haltung zu bewahren, gerade in schwierigen Zeiten.
Das Leben als Diplomat oder Mitarbeiter einer Botschaft scheint oft nur auf den ersten Blick verlockend: durch die Welt reisen, an Banketten teilnehmen, in fernen Ländern leben. Das kann zwar tatsächlich alles sehr interessant sein, aber auch sehr anstrengend. Viele Stellen an den Botschaften sind zudem eher Bürojobs und haben überhaupt nichts mit Sekttrinken und eleganten Partys zu tun. Und so toll bezahlt ist das Ganze auch nicht. Man muss mit seiner Familie alle paar Jahre umziehen, oft in wenig angenehme Länder. Und die Spitzenjobs sind, wie überall, rar gesät. Botschafter in Paris oder Washington werden nur ganz wenige.
Der Kanzler ist Vielflieger
Wenn Bundeskanzler abheben, dann in der Kanzlermaschine. Sie gehört zur deutschen Luftwaffe, also zur Bundeswehr. (Deutlich berühmter, aber im Grunde das Gleiche ist die Air Force One des
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