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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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sagt: Alle wissen, was gemeint ist. Das kann dem Inhalt nach durchaus deutlich sein, bleibt aber diplomatisch höflich verklausuliert.
    Wenn ein Botschafter zum Beispiel offiziell »einbestellt« wird, ist das eine sehr scharfe diplomatische Form der Kritik am Heimatland dieses Botschafters. Man zitiert ihn dann quasi herbei, um ihn zu fragen: »Spinnt ihr? Sag deiner Regierung, das geht so nicht!« Natürlich wird das anders formuliert, aber alle Beteiligten wissen, dass genau dies gemeint ist. Offiziell kann in einer solchen Situation auch eine »Protestnote« überreicht werden. Im Extremfall können Botschafter sogar des Landes verwiesen werden. Oder ein Land schließt selbst seine Botschaft und zieht die eigenen Diplomaten ab. Was so viel heißt wie: »Mit euch reden wir nicht mehr.« Die letzte Stufe ist der vollständige »Abbruch der diplomatischen Beziehungen«. Das ist die höchste diplomatische Ohrfeige und will wohlüberlegt sein, denn wer empört rausstürmt, muss irgendwann auch wieder reinkommen.
    Manchmal ist das Schließen einer Botschaft aber auch nur eine Sicherheitsmaßnahme, wenn in einem Land Krieg ausbricht und man um das Leben seines Botschaftspersonals fürchtet. Bevor die Botschafter selbst abziehen können, müssen sie sich aber noch darum kümmern, ihre Landsleute in Sicherheit zu bringen. Denn in allen Krisenfällen gilt: Wo immer man sich auf der Welt befindet, die Botschaft des eigenen Landes muss einem helfen, wenn man in Schwierigkeiten ist.
    Unterhalb dieser »harten Fälle« (Botschafter einbestellen, ausweisen, eigene Botschafter abziehen) gibt es noch eine Vielzahl fein verschlüsselter Abstufungen, über die Länder miteinander kommunizieren können, während sie zugleich nach außen die diplomatische Form wahren. Man kann zum Beispiel seinen Botschafter nur vorübergehend nach Hause holen, offiziell zu »Konsultationen auf unbestimmte Zeit«. Das ist dann noch kein richtiger Abzug, aber ein sehr deutliches Zeichen ernsthafter Verärgerung. Oder man sagt einen geplanten Ministerbesuch ab. Das haben etwa die Chinesen getan, nachdem sich Kanzlerin Merkel 2007 mit dem tibetischen Dalai Lama traf. China empfand das als Affront, danach wurden geplante Besuche auf Ministerebene und andere Treffen abgesagt – die diplomatischen Beziehungen also »heruntergefahren«. Da half auch nicht, dass der chinesische Botschafter in Berlin über das Treffen vorab informiert worden war; die Information der Gegenseite gilt eh als Minimum der Höflichkeit.
    Wenn die Kanzlerin bei einem Besuch in China eine Liste übergibt, auf der inhaftierte Regimekritiker aufgeführt sind, nach deren Schicksal die deutsche Regierung fragt, dann zieht sie die auch nicht plötzlich wie das Kaninchen aus dem Hut. So etwas wird vorher abgesprochen. Den Chinesen gefällt das zwar nicht, aber sie nehmen es hin, weil sie ihrerseits wissen, dass deutsche Politiker dies tun »müssen«, weil es zu Hause in Deutschland erwartet wird. Es ist Teil der Diplomatie, diese Dinge sorgfältig hinter den Kulissen zu klären, bevor man anreist.
    Militärische Ehren und andere Blumensträuße
    Offizielle Besuche sind generell ein wunderbarer Schauplatz für diplomatische Feinheiten. Man kann Gäste unterschiedlich herzlich oder kühl empfangen. Es gibt ein internationales Protokoll, das sozusagen die Mindeststandards umschreibt. Bietet man dem Gast mehr als das Protokoll, dann empfängt man ihn »besonders freundlich«. Ein Außenminister zum Beispiel kann nicht erwarten, dass ihn sämtliche Regierungsmitglieder oder gar der Staatschef empfangen. Wenn das geschieht, ist das eine ausdrückliche große Geste. Aber auch wenn ein Staats- oder Regierungschef höchstselbst kommt, gibt es feine Abstufungen. Etwa wenn der gastgebende Staatschef besonders viel Zeit für den Besuch einräumt, mit ihm längere Spaziergänge unternimmt (natürlich von Kameras begleitet) oder ihn gar in sein Privathaus einlädt. Auch mit diversem »Tamtam« kann man »besondere Freundlichkeit« demonstrieren. Dann werden zum Beispiel zahlreiche Fähnchenschwenker zum Flughafen geschickt, die dem Staatsgast begeistert zuwinken. Das klappt in Diktaturen natürlich besser. In Deutschland ist es eher schwierig, bürgerliche Begeisterung anzuordnen.
    Ein typischer Bestandteil des diplomatischen Protokolls ist der Empfang mit militärischen Ehren. Gast und Gastgeber schreiten spezielle Ehrenformationen des gastgebenden Militärs ab. Das kriegt natürlich nicht jeder.

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