Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
September vor den Anschlägen in Deutschland aufgehalten hatten. Die Geheimdienste bewegen sich dabei in einem Graubereich, um es mal sehr milde zu formulieren. Denn eigentlich gilt: Nur wenn sie tatsächlich Gefahr befürchten, dürfen sie zu solchen Spionagemitteln greifen, von elektronischer Überwachung bis zur Einschleusung von verdeckten Ermittlern. Flächendeckend mal ebenso Millionen Bürger für verdächtig zu halten, ist eigentlich nicht vorgesehen! Und verstößt gegen Recht und Gesetz. Zumindest in Deutschland sind den Diensten juristisch enge Grenzen gesteckt. Die Enthüllungen über das Giga-Spitzelprogramm der NSA, für die angeblich hunderttausende Mitarbeiter im Dienst sind, haben für entsprechende politische Empörung gesorgt. Dieser Skandal belastet auch das transatlantische Verhältnis, wobei man getrost vermuten darf, dass die europäischen Geheimdienste (und Regierungen) durchaus nicht ganz so überrascht sind von den Aktivitäten ihrer US-Kollegen, wie das nun öffentlich vermittelt wird.« Bloß: Geheimhaltung ist das Geschäft von Geheimdiensten, und obwohl sie offiziell vom Parlament überwacht werden, kann es immer wieder mal vorkommen, dass einige »kleine« Regelverletzungen – natürlich im Dienste des Vaterlandes – unter den Tisch fallen. Das ist tatsächlich wie in jedem guten Agentenkrimi, nach dem Motto: Wer die Bösen besiegen will, darf sich nicht von Vorschriften behindern lassen. Doch wo unkontrolliert ermittelt wird, wird es schnell kriminell. Und der Weg in den Überwachungsstaat ist dann auch nicht mehr weit.
Unkontrollierte Kontrolle ist schließlich ein typisches Merkmal brutaler Überwachungsstaaten. Das war in Deutschland schon zweimal der Fall: unter den Nazis, wo »Blockwarte« überall nach dem angeblich Rechten sahen, und in der DDR , wo Stasi-Mitarbeiter schnüffelten. In Deutschland gibt es derzeit eine ganze Reihe Behörden, die nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Wichtig ist dabei, dass in Deutschland Polizei und Geheimdienste getrennt sind. Die Geheimdienstler dürfen einen Bundesbürger nicht verhaften. Eine Geheimpolizei wie zu Nazi-Zeiten (Gestapo) soll es hierzulande nicht mehr geben. (Deshalb spricht man in Deutschland offiziell auch lieber von »Nachrichtendienst« und nicht von »Geheimdienst«, das klingt harmloser.) Polizei und Nachrichtendienste können aber in bestimmten Bereichen zusammenarbeiten, zum Beispiel beim Austausch von Informationen über terroristische Gruppen. Über diesen Graubereich wird politisch immer wieder diskutiert. Datenschützer beklagen, dass die Geheimdienste inzwischen viel zu viel überwachen, im Jahr 2010 sollen es 37 Millionen E-Mails gewesen sein, die sich allein die deutschen Nachrichtendienste näher angesehen haben. Nach welchen Kriterien geschieht das? Und wie viel konkrete Ergebnisse bringt eine solche Informationsflut? Das bleibt relativ undurchsichtig. Natürlich sind wir alle froh, wenn eine Terrorgruppe im Sauerland rechtzeitig auffliegt. Andererseits ist der Gedanke, dass auch meine E-Mails in irgendeiner Behörde heimlich mitgelesen werden, ziemlich unheimlich (und bei politischen Journalisten auch nicht unwahrscheinlich, denn wir schicken uns untereinander beispielsweise auch Links zu islamistischen Internetseiten, um uns solche Primärquellen anzusehen). Es trifft aber keineswegs nur Journalisten. Bei 37 Millionen E-Mails darf man getrost davon ausgehen, dass da auch jede Menge ganz normaler Bürger im Raster hängenbleiben.
Wer sind die »Geheimen«? Und wer sorgt überhaupt bei uns für »Sicherheit«? Eine Übersicht:
Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll die Verfassung schützen und achtet daher darauf, ob jemand innerhalb Deutschlands unsere Demokratie stürzen will – das können linksgerichtete Terroristen sein wie in den Siebzigern die Rote Armee Fraktion ( RAF ) oder rechtsextreme Neonazis. Auch die Beobachtung möglicher terroristischer Vereinigungen, vor allem mit fanatisch-islamistischem Hintergrund, gehört zum Job. Außerdem versucht der Verfassungsschutz im Blick zu behalten, was ausländische Geheimdienste so treiben. Neben dem Bundesverfassungsschutz haben auch alle Bundesländer ihre eigenen Verfassungsschutzämter.
Das Bundeskriminalamt ( BKA ) hat ähnliche Aufgaben wie der Verfassungsschutz, ist also im Einsatz gegen Terroristen aller Art, befasst sich außerdem noch mit Waffenhandel, Sprengstoffdelikten, Rauschgiftkriminalität, Geldwäsche, Drogenhandel und
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