Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
Präambel des bundesrepublikanischen Grundgesetzes der Satz gestanden: »Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.« 1990 konnte der Satz gestrichen werden.
Damals hoffte man, dass der Lebensstandard im »Osten« innerhalb weniger Jahre auf Westniveau steigen würde. Leider ist das bis heute nicht der Fall, und die hohe Arbeitslosigkeit in einigen der neuen Bundesländer ist ein Grund dafür, dass extremistische Frustparteien wie die NPD dort Zulauf haben. Allerdings gab es auch schon zu DDR -Zeiten eine mehr oder weniger heimliche rechtsradikale Jugendszene: Wenn der Staat extrem links ist, liegt es nahe, zu protestieren, indem man extrem rechts ist.
Lebensqualität auf Sozialistisch
Immer wieder ist zu hören, dass in der DDR »nicht alles schlecht« war. Dabei wird auf eine Reihe Punkte verwiesen, die in der Rückschau positiv erscheinen:
Soziale Sicherheit: Die Menschen brauchten keine Angst vor Arbeitslosigkeit zu haben, denn offiziell existierte Vollbeschäftigung.
Die Kriminalität war vergleichsweise geringer; es gab ja auch nicht so viel zu klauen und zu betrügen.
Kinderbetreuung war kostenlos und flächendeckend.
Einheitspreise machten es überflüssig, nach Sonderangeboten zu suchen, und niemand wurde von Versicherungsvertretern und anderen Geschäftemachern über den Tisch gezogen.
Aus der Mangelsituation heraus wurde schon früh Recycling betrieben (Altpapier, Metall und Glas), und es wurden Dienstleistungen und Gegenstände untereinander getauscht.
Der soziale Zusammenhalt war stärker, man half sich gegenseitig in Notlagen.
Der Schulunterricht war überall gleich, das heißt, nach einem Umzug mussten Schüler sich nicht auf einen anderen Lehrplan einstellen.
Manche finden rückblickend auch die langen Haftstrafen für Mörder und Triebtäter gut; andererseits: Es gab auch die Todesstrafe für politische Gefangene.
Weniger Sozialneid, weil die meisten Bürger ungefähr gleich viel Geld hatten. (Nur wenige besaßen mehr, weil sie gute Kontakte zu hohen Politikern hatten, selbst Politiker oder sonstwie einflussreich waren. Diesen sogenannten Kadern ging es in der DDR sehr viel besser als dem normalen Volk. Es waren eben doch nicht alle gleich.)
Dem stehen allerdings die massiven Nachteile entgegen, mit denen die DDR -Bürger konfrontiert waren:
Keine freie Meinungsäußerung (Gefängnisstrafen für Regierungskritik), keine freie Presse, West-Fernsehen zu sehen, war offiziell verboten (obwohl es alle taten).
Keine freie Kultur. Internationale Rockmusik war weitgehend verboten, für Satire und Kabarett gab es enge Grenzen, und man durfte auch nicht die Bücher veröffentlichen oder lesen, die man wollte, sondern nur das, was der Staat/die Zensur erlaubte.
Kein Streikrecht. Im »Arbeiterstaat« hielt man dieses wesentliche Arbeitnehmer-Grundrecht für unnötig.
Keine Reisefreiheit. Ferien konnte man nur in anderen Ostblock-Staaten machen, zum Beispiel in Bulgarien. Mallorca oder New York waren unerreichbar.
Viele Dinge waren gar nicht oder nur ganz selten zu kaufen (Wassermelonen, Bananen, Markenjeans, Autos). Oft konnte man sogar einfache Dinge wie Fleisch oder Kaffee nicht kaufen beziehungsweise musste dafür lange Schlange stehen, wenn es sie dann mal gab. Auf ein Auto musste man jahrelang warten.
Tiefes und weitverbreitetes Misstrauen in der Bevölkerung wegen der Stasi-Spione. Selbst Eheleute haben sich gegenseitig bespitzelt und der Stasi berichtet, was in ihrer Familie geschieht.
Keine freie Berufswahl; die Ausbildung wurde vorgeschrieben. Man konnte zwar Wünsche äußern, hatte aber kein Recht darauf, seine Lehrstelle oder seinen Studienplatz frei zu wählen. Viele Kinder wurden vom Studium ausgeschlossen, wenn ihre Eltern politisch nicht angepasst genug waren. Die eigene berufliche Zukunft hing insofern vom Wohlverhalten der ganzen Familie ab. Die Angst, den eigenen Kindern zu schaden, ist ein starkes politisches Druckmittel. Auch so kann eine Staatsführung das Volk manipulieren.
Die Wahlen waren nicht geheim und frei, sondern wurden manipuliert. Deshalb gab es immer Wahlergebnisse für die Regierung von über 90 Prozent Der Nachweis von falsch ausgezählten Wahlen war schließlich ein Grund für die Massenproteste (Montagsdemonstrationen) und den Zerfall der DDR .
Hohe Umwelt- und Luftverschmutzung: Umweltschutz muss man sich leisten können. Die DDR -Wirtschaft konnte das nicht. Auch wurden Häuser kaum
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