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Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)

Titel: Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marietta Slomka
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-Bürgerrechtler hatten sich das anders vorgestellt. Davon abgesehen verhielten sich leider viele »Wessis« unmöglich und nutzten das anfängliche Nicht-Wissen der Ostbürger aus, um auf üble Weise Geschäfte zu machen. Was da schiefgelaufen ist, ist bis heute nicht aufgearbeitet und sitzt vielen Ostdeutschen schwer in den Knochen.
    Ein Deutschland, zwei Hauptstädte
    Jede Woche pendeln 5000 Regierungsmitarbeiter zwischen Berlin und Bonn. Der Grund: Ihre Ministerien haben Dienstsitze in beiden Städten. Das ist unpraktisch und teuer – angeblich aber immer noch billiger, als den Umzug aller Ministerien nach Berlin zu zahlen.
    Berlin ist mit 3,4 Millionen Einwohnern die mit Abstand größte Stadt Deutschlands und sogar die zweitgrößte Stadt in der Europäischen Union. Das rheinische Bonn hat nur etwa 300000 Einwohner. Als 1990 die Wiedervereinigung kam, wurde Berlin (wieder) deutsche Hauptstadt, und man hat heiß diskutiert, ob das gesamtdeutsche Parlament und die Ministerien umziehen oder weiterhin in Bonn bleiben sollten. Am 20. Juni 1991 um 21.48 Uhr wurde abgestimmt. Es war knapp: 320 Bundestagsabgeordnete wollten in Bonn bleiben, 337 entschieden sich für Berlin. 1999 erfolgte der Umzug. Sechs Ministerien aber blieben in Bonn: Verteidigung; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung; Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; Gesundheit; Bildung und Forschung. Sie haben nur einen Zweitsitz in Berlin. Die übrigen Ministerien haben zwar ihren Hauptsitz in Berlin – aber noch einen Zweitsitz in Bonn. Und über zwanzig Bundesbehörden zogen, sozusagen als Ausgleich für die Abwanderung wichtiger Gremien nach Berlin, sogar aus Berlin nach Bonn, darunter das Amt für Militärkunde, der Holzabsatzfonds, das Bundesinstitut für Sportwissenschaft. Was für eine irrwitzige Umzieherei!
    In den sechs geteilten Ministerien sitzen nun gut 10000 Mitarbeiter am Rhein, knapp 9000 an der Spree. Für eine halbe Milliarde Euro wurde ein Daten-Highway zwischen Berlin und Bonn angelegt, der Videokonferenzen ermöglicht. Damit alle wissen, was gerade zu tun ist, sind dennoch 66000 Reisen hin und her erforderlich, pro Jahr. Kosten: zehn Millionen Euro. Seit dem Umzug sind so über 200 Millionen Euro aufgelaufen. Würde man die Pendelei abschaffen und alle Behörden nach Berlin holen, würde das natürlich ein paar Millionen Euro jährlich sparen – der Umzug selbst allerdings schlüge wohl mit fünf Milliarden Euro zu Buche. Das rechnet sich anscheinend dann doch nicht. Auch wenn gerade viele ranghohe (= teure) Mitarbeiter bis zu einem Drittel ihrer Arbeitszeit mit Fliegen, Bahnfahren und Wartezeiten bei Terminen vergeuden.
    In Berlin sind gute Jobs in Bundesbehörden rar. Viele junge Leute bewerben sich daher gezielt in Bonn – in der Hoffnung, dass irgendwann alle total genervt vom Pendeln sind und doch noch ganz nach Berlin umgezogen wird. Die Rechnung könnte aufgehen …Und um nichts anderes geht es letztlich: um eine Rechnung, bei der die alte Hauptstadt Bonn geschickt ihre Interessen vertritt.

Die Qual der Wahl – Parteien in Deutschland
    Aktuell im Bundestag vertreten sind fünf Parteien (Stand Sommer 2013): die beiden Unionsparteien (die Christlich Demokratische Union in Fraktionsgemeinschaft mit der Christlich Sozialen Union), die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands), die FDP (Freie Demokratische Partei), Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Manche befürchten, dass damit bereits zu viele Parteien im Parlament sitzen. Das Regieren ist durch die knapperen Mehrheiten, die sich aus einer größeren Parteienanzahl ergeben, jedenfalls schwieriger geworden als früher.
    Bis Anfang der achtziger Jahre, also fast vierzig Jahre, war in der Bundesrepublik die Macht nur auf drei Parteien verteilt: CDU / CSU , SPD und FDP . Umso schockierender war es für die Abgeordneten, als 1983 die Grünen in den Bundestag gewählt wurden. Viele glaubten damals, die neue Partei würde bald wieder von der Bildfläche verschwinden. Doch obwohl Union und SPD inzwischen viele Umweltschutzziele übernommen haben, sind die Grünen mittlerweile in allen Landesparlamenten vertreten und haben auf Bundes- und Länderebene Regierungsverantwortung übernommen.
    Für die FDP war es durchaus ärgerlich, dass plötzlich noch eine andere kleinere Partei mitmischte. Bis dahin war sie nämlich »das Zünglein an der Waage« gewesen und konnte sich aussuchen, mit wem sie am liebsten regieren

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