Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
Anschlag ausgelastet sind, kann das »freie« neue Geld Kaufimpulse setzen, ohne dass dabei die Preise steigen. Denn die Firmen können mehr Waren herstellen und verkaufen als bisher. Das versuchen im Moment die USA , um ihre Wirtschaft anzukurbeln. Die Bürger erhalten Zuschüsse und preiswerte Kredite, damit sie kaufen gehen – und so die Investitionen letztlich in Form von Steuern wieder zum Staat zurückkehren. Manchmal klappt das, manchmal nicht – zum Beispiel im Japan der neunziger Jahre. Die Bürger misstrauten dem Staat und sparten das frisch gedruckte Geld lieber, als es auszugeben. Außer Spesen also nichts gewesen.
Für die Frage, wie viel neues »zusätzliches« Geld unter die Leute gebracht wird, sind die jeweiligen Zentralbanken zuständig. Die deutsche Zentralbank ist die »Bundesbank« (wird manchmal verwechselt mit der Deutschen Bank, die aber weder eine staatliche Bank ist noch sonderlich deutsch, sondern längst ein internationaler Geldkonzern). Früher war die Bundesbank fast »heilig« und der Bundesbankpräsident quasi Gott, zumindest wurde er in Deutschland regelrecht verehrt. Das ist vorbei, seitdem die Bundesbank zum »Europäischen System der Zentralbanken« gehört und der Euro eingeführt wurde. Seitdem ist der Chef der EZB weitaus mächtiger und wichtiger als der Bundesbankpräsident, der nur noch eine Stimme unter vielen ist. Der Grundgedanke bei der EZB war, dass bei einer gemeinsamen Währung die Staaten keine währungspolitischen Soli mehr hinlegen, sondern sich absprechen müssen. Das klappt allerdings nicht immer, wie wir bei der Euro-Krise gerade ausführlich beobachten können.
Die Zentralbanken sollen eigentlich auch keine Staaten retten, sondern darauf achten, dass es keine Inflation gibt, dass der Wert des Geldes in einer guten Balance bleibt. Dazu erhöhen oder senken sie bei Bedarf die Menge an Geld, die im Umlauf ist. Natürlich nicht, indem sie Geldscheine drucken oder verbrennen. Sie verteuern oder verbilligen den Preis für Geld. Sie bieten Banken Geld also zu besonders günstigen oder weniger günstigen Konditionen an. Das geschieht über die sogenannten Leitzinsen, die private Geschäftsbanken und Sparkassen bezahlen, wenn sie sich bei der Zentralbank Geld leihen. Wird der Leitzins von der Zentralbank gesenkt, kommen die Banken billiger an Geld und können es auch billiger an Firmen und Privatleute weiterreichen.
Hier kommt übrigens auch noch mal die Staatsverschuldung ins Spiel: Der Staat kann sich leichter verschulden als Privatleute, und tut das ja auch eifrig. Dadurch haben Privatleute allerdings einen mächtigen Konkurrenten auf dem Kapitalmarkt. Hohe Staatsverschuldung führt dazu, dass die Zinsen steigen, weil der Staat so viel Geld nachfragt. Unternehmer, die investieren wollen, müssen höhere Kredite zahlen, was das Wachstum lähmt. Um das zu verhindern, könnte der Staat über die Zentralbank die Geldmenge erhöhen, Geld also wieder billiger machen. Dann steigt aber wiederum die Inflationsgefahr.
Die Theorie vom perfekten Staat
»Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker«, heißt es ja immer so schön in der Medikamentenwerbung. Mit der Politik ist es ähnlich: Es geht eigentlich immer um gute Absichten. Selbst die schlimmsten Ideologen, Rassisten, religiösen Fanatiker und Diktatoren sind für sich selbst davon überzeugt, »das Gute« zu wollen. »Ich liebe doch alle Menschen« stammelte Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit in der DDR , als er 1989 erschüttert feststellen musste, dass es mit seiner Macht zu Ende war. Auch jede politische und ökonomische Theorie und jede Partei nimmt für sich in Anspruch, »den Menschen« nutzen zu wollen. Das gilt in der Regel auch für die Begründung einzelner Gesetze und anderer konkreter Maßnahmen. In der Praxis stellt sich dann aber schnell heraus, dass die meisten politischen Entscheidungen Nebenwirkungen haben, oft ungewollte. Schon in der Theorie gibt es für fast jedes Argument ein Gegenargument. Das kann sehr ermüdend sein. Es braucht insofern eine gewisse intellektuelle Ignoranz, um von einer Sache 150-prozentig überzeugt zu sein und fest daran zu glauben, dass man so und nur so die Welt retten kann. Wie soll man als politisch interessierter Mensch damit klarkommen? Mutlos werden, sich abwenden? Nein, gar nicht! Es lohnt sich, in den Wettbewerb der Ideen einzusteigen, zu streiten und nach der besten Lösung zu suchen, auch wenn sie vielleicht nur das geringste
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