Kanzler, Krise, Kapital: Wie Politik funktioniert (German Edition)
suchen – für Unternehmer kann es hilfreich sein, wenn sie in ihrer Stadt auch noch ein politisches Amt innehaben. Das ist wie in Köln mit den Karnevalsvereinen: Klüngel hilft. Wer einmal im Bundestag gesessen hat, hat aber keineswegs für den Rest des Lebens ausgesorgt. Viele Bundestagsabgeordnete haben finanzielle Probleme bekommen, als sie wegen schlechter Wahlergebnisse ihrer Partei aus dem Bundestag geflogen sind. Sie waren zu lang draußen, um in ihrem Beruf wieder Fuß zu fassen. Die wenigsten werden Bestsellerautoren oder erhalten Aufsichtsratsposten bei großen Unternehmen, zu denen sie vorher enge Kontakte knüpften. Eine ehemalige SPD -Abgeordnete machte 2007 sogar Schlagzeilen, weil sie putzen gehen musste. Andere beantragen Arbeitslosenhilfe, weil sie keinen Job mehr finden. Normale Abgeordnete erhalten nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag für jedes Jahr im Dienst ein Monatsgehalt, für eine Legislaturperiode von vier Jahren also vier Monatsgehälter. Das Geld gibt es längstens 18 Monate, und ab dem zweiten Monat werden andere Einkünfte damit verrechnet.
Für Quereinsteiger ist es schwer(er)
Manchmal kann Politik sehr überraschend und dramatisch sein. Etwa wenn sie Personen nach ganz oben katapultiert, die vorher nicht jahrzehntelang eine eigene Hausmacht aufgebaut haben. Grundsätzlich haben es Seiteneinsteiger allerdings schwer. Dafür gibt es gute Gründe. Für die Parteiführung mag es reizvoll sein, einen Quereinsteiger, womöglich sogar ohne Parteibuch, zu präsentieren. Eine parteilose Professorin als Bildungsministerin, ein Unternehmer ohne Bundestagsmandat als Wirtschaftsminister. Bei den Wählern kommt das gut an, weil sie über Berufspolitiker oft abschätzig denken und bei Quereinsteigern eine größere Sachkompetenz vermuten. Damit kann man aber ziemlich falschliegen. Natürlich kennt eine Professorin den Unibetrieb gut. Aber das befähigt sie noch lange nicht dazu, in der Politik so geschickt zu agieren, dass sie für ihr Ressort möglichst viel Geld rausschlägt. Und ein Unternehmer weiß vielleicht, wie er mit seinem Unternehmen Gewinne macht, aber das heißt nicht, dass er auch ein großes Ministerium gut führen kann. Ein Professor für Finanzwissenschaft mag kluge Ideen für eine Steuerreform haben, dafür aber Mehrheiten zu gewinnen – das kennt er nicht. Und wie der Poker bei internationalen Verhandlungen läuft, etwa in der EU , das hat er auch noch nie erlebt. Als Finanzminister muss er das aber können: mit Kabinettskollegen über ihre Budgets verhandeln oder mit den Griechen darüber, unter welchen Bedingungen sie wie viel Geld aus dem Rettungspaket bekommen. Dass dabei taktiert und geblufft und auch gelogen wird, dürfte für einen Professor eine weitaus größere Überraschung sein als für einen erfahrenen Berufspolitiker.
Das schwerwiegendste Manko der Quereinsteiger ist aber ihr mangelnder Rückhalt in der Partei. Wer eine jahrzehntelange Ochsentour durch die Parteigremien hinter sich hat, findet es verständlicherweise nicht lustig, wenn die größten Kuchenstücke an jemanden gehen, der sich all die Arbeit nie gemacht hat. Da gibt’s Neid und Intrigen. Vor allem aber fehlen den Quereinsteigern Verbündete, und die braucht man. Man braucht Leute, die einem helfen, wenn es mal eng wird. Die für einen Partei ergreifen oder Ablenkungsmanöver starten, wenn Unangenehmes in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Das ist nicht anders als am Arbeitsplatz: Wer jahrelang mit Kollegen zusammengearbeitet hat, regelmäßig in der Kantine zusammengesessen, dem manch einer auch etwas verdankt, der kann darauf hoffen, dass auch ihm in der Not geholfen wird. Der Neue, den keiner kennt, steht erst mal ziemlich allein auf weiter Flur. Wer in einer Partei fest verwurzelt ist, gehört bestimmten Gruppen, Flügeln oder Landsmannschaften an und kann allein deshalb auf Unterstützung hoffen. Ein Quereinsteiger hat diesen »Stallgeruch« nicht. Außerdem tun sich Quereinsteiger oft schwer mit den Abläufen in der Politik. Ein Unternehmer ist daran gewöhnt, dass er Pläne entwickelt, sie hierarchisch durchsetzt und sich schließlich an den Zahlen messen lässt. So funktioniert das in der Politik aber nicht.
Ein Berufspolitiker hat diese Erfahrung vielleicht schon früh gemacht, als er in der hessischen Provinz für die CDU im Gemeinderat saß. Da kam ihm die Idee, dass es großartig wäre, einen schlammigen Feldweg zu teeren und gleich auch noch einen Waldparkplatz zu bauen, um den
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